Full text: Reformation des Himmels

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kränkt und mich beleidigt. Und denen gleich zu stellen 
sind alle, die mich suchen nicht um meiner selbst willen 
oder aus Liebe zur höchsten Tugend, oder aus Liebe zu 
der Gottheit, welche über jedem Zeus und jeden Himmel 
thront, sondern um mich für Geld oder für Ehren oder 
für irgend welchen sonstigen Gewinn zu verkaufen, und 
nicht so sehr um zu wissen, sondern um weise zu scheinen 
und andere bekritteln und anfeinden zu können und um 
sich aus Neid gegen das Glück des Nächsten zu lästigen 
Zensoren und strengen Beobachtern derselben aufzuwerfen. 
Die ersteren von dieser Sorte sind Elende, die zweit 
genannten Eitle, die dritten von boshafter und niedriger 
Gemütsart. Aber die, so mich suchen, bloss um sich 
selber zu erbauen, sind klug, die, so mich ehren, um 
andere zu bessern, menschlich, die, so mich schlechter 
dings suchen meiner selbst wegen, sind wissbegierig, 
diejenigen aber, so mich suchen aus Liebe zur 
höchsten und obersten Wahrheit sind weise und folglich 
glückselig. *) 
Saulin: Wie kommt es, Sofia, dass nicht alle, die Dich in 
demselben Masse besitzen, auch gleichmässig gestimmt 
sind, dass vielmehr nicht selten einer, in je höherem 
Masse er Dich besitzt, um so weniger glücklich und 
zufrieden ist? 
b Während Klugheit die konkrete in den individuellen 
Lebenslagen bethätigte Auffassungs- und Erfindungskraft ist, ist Weis 
heit das Erkennen und Konstruieren der allgemeinen Gesetze, 
welche das objektive Dasein sowol wie das subjektive und praktische 
Leben beherrschen, sie ist das systematische Wissen und in ihrer höchsten 
Potenz die Wissenschaft der Wissenschaften, die Philosophie als Lebens 
weisheit und Lebenskunst durch Grundsätze. Diese Philosophie ist nicht 
nur durch intellektuelle Fähigkeit, sondern auch durch Unbefangenheit 
und Reinheit des Wollens bedingt. Diejenigen, welche eine Wissenschaft 
mit Liebe zu ihr und aus Freude an ihr betreiben, per il loro diletto, 
werden daher ganz richtig von solchen, die einen besoldeten Titel dafür 
aufweisen können, blosse Dilettanten genannt, und von denselben „Leuten 
vom Fach“ nicht selten mit jener Geringschätzung behandelt, die 
uniformiertes und livrée-prunkendes Bedientenvolk gegen unabhängige 
Arbeiter affektiert. Auch Bruno war „nur ein Dilettant“, weshalb ihm 
von Seiten mancher „Fachphilosophen“ dieselbe Geringschätzung zuteil 
wird, die auch unserm Schopenhauer und Göthe nicht erspart blieb. 
Vergl. Schopenhauer, Parerg. II. § 255 und 256. 
Kuhlenbeck, Giordano Bruno. 
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