Sofia: Deshalb, weil sie ihrem Wesen nichts hinzusetzen
kann mit der Prahlerei und nichts davon verleugnen
kann mit der Verstellung. Und das kommt daher, dass
sie kein Bewusstsein und keinen Begriff ihrer selbst be
sitzt, wie auch die Gottheit, welche das einfachste
ist, sofern sie nichts anderes sein will als dieses einfachste,
ihrer selbst nicht bewusst ist; denn derjenige, welcher
sich selbst empfindet und sich selbst betrachtet, ver
doppelt, ja vervielfältigt sich in gewisser Weise und
macht sich, um es richtiger zu sagen, zu einem und
einem anderen; denn er macht sich zum Objekt und
Subjekt, zum Erkennenden und Erkannten, da ja im
Akte der Erkenntnis viele unterschiedene Dinge in Einem
Zusammentreffen. Daher kann man jener einfachsten
Intelligenz kein Selbstbewusstsein beilegen in dem Sinne,
dass sie mittelst einer reflektirenden Thätigkeit in sich
selber ein Erkennendes und ein Erkanntes unterschiede,
sondern weil sie das absolute und einfachste Licht ist,
darf ihr solches Bewusstsein nur im verneinenden Sinne
zugeschrieben werden, insofern als sie sich selber nicht
verborgen sein kann. Die Einfalt also, insofern als sie
ihrer selbst nicht bewusst ist und nicht reflektiert über
ihr eigenes Wesen, hat augenscheinlich eine Ähnlichkeit
mit der Gottheit, von welcher dagegen sich auf denkbar-
grössten Abstand entfernt die eitle Selbstbespiegelung
und hochmütige Prahlerei; nicht so sehr jedoch die ge
flissentliche Verstellung, der es von Zeus erlaubt ist,
sich zuweilen im Himmel zu zeigen, freilich nicht als
eine Göttin, sondern als eine Magd der Klugheit und als
gelegentlicher Schild der Wahrheit.“ *)
J ) Von der göttlichen Tugend, welche Bruno als simplicitä, Ein
fachheit, Einfalt, edle Simplizität, bezeichnet, und von der er eine so
anschauliche bildliche Darstellung giebt, eine begriffliche Definition zu
geben, ist keineswegs eine so einfache Aufgabe, wie man bei oberfläch
licher Betrachtung des Gegenstandes denken kann. Das wahre Wesen
der Einfalt erscheint eben „geheimnisvoll am lichten Tag/ - ' wie die
Gottheit selbst und entzieht sich der bewussten Analyse des Verstandes,
der Scheidekunst des begrifflichen Trennens eben durch ihre Einfachheit.
Sie selber vermöchte es wol am wenigsten, sich begriffliche Rechenschaft
davon zu geben; denn wie Unschuld schon nicht mehr Unschuld ist,
■sobald sie sich selber als solche weiss, so würde auch sie nicht mehr