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der Tribun, der Feldherr mit Schwert, Lanze und Schild.
Tritt mir zur Seite, du edle, heroische und sorgsame-
Furcht und wirke mit deinem Stachel, dass ich aus der
Reihe der Hervorragenden nicht eher zurücktrete als
aus der Reihe der Lebendigen! Sorge, dass ich, bevor
Geistesschwäche und Tod mir die Hände binden, so viel
geschaffen haben wunde, dass man mir den Ruhm meiner
Werke nicht nehmen kann! Lass', o Sorge, mein Dach fertig
gestellt sein, ehe der Regen kommt und mach', dass die
Fenster dicht sind, ehe die nasskalten Winterstürme
blasen! Gedächtnis eines wol vollendeten Lebenslaufs, lass
Greisentum und Tod mich nicht eher von der Arbeit ab-
rufen, als mein Geist sich umnachtet! Du edle Furcht, den
erworbenen Ruhm zu überleben, wirst Alter und Tod mir
nicht bitter, sondern lieb und willkommen erscheinen
lassen!
Saul in: Fürwahr, o Sofia, das ist ein sehr würdiges und
ehrenvolles Rezept gegen den Trübsinn und Schmerz,
welchen das reife Alter mit sich bringt, und gegen die
unzeitige Todesfurcht, welche den Lebenstrieb der beseelten
Geschöpfe von der Stunde an, da sie von ihren Sinnen
Gebrauch machen, zu beherrschen pflegt. Deshalb sagt
auch der Nolaner Tansillo *) sehr schön:
„Wer immer in des Lebens Sommertagen
Nicht undankbar des Himmels Gaben ehrte,
W ess Herz für hohe That nicht matt und flau geschlagen.,
Die Pfunde nutzend, die ihm Gott bescherte:
Der sieht es friedlich, wenn nun Eis und Schnee
Die Stoppelfelder deckt; ihm thut’s nicht weh;
*) Tansillo, einer der besseren Dichter aus Bruno's Zeitalter, wurde
im Jahre 1510 zu Venosa geboren. Seine Eltern stammten aus Nola,
woselbst er auch seine Jugendzeit verbrachte und vermutlich Bekanntschaft
mit Bruno's Vater machte, in den Dialogen ..degli heroici furori“ ist Tansillo
einer der Hauptwortführer, er rezitiert Sonette und giebt deren Erklärung;
er erwähnt hier W. II. 324 eine Äusserung des Gioan Bruno, der Bruno’s
Yater w r ar, und bezeichnet denselben als seinen Nachbar. Später lebte
er in Neapel, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass Bruno ihm hier
während seines Klosteraufenthalts manche poetische Anregung und Unter
weisung verdankte. Tansillo war bekannt mit Tasso und Ariost und eine
am Hofe des Vizekönigs von Neapel, Don Pedro de Toledo, hochangesehene
Persönlichkeit. Vergl. Frith, ..Life of Bruno“ p. 7.