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Bleicht auch sein Haar und runzeln sich die Wangen,
Es ändert sich sein Leben und Verlangen.
Der Landmann, der der Ernte Pflicht gethan,
Sieht ohne Schmerz die Winternächte nah’n!“
Sofia: Das ist schön gesagt, Saulinus, aber es wird Zeit, dass
Du Dich zurückziehst. Denn sieh’! dort naht der mir
so innig befreundete Gott, ich erkenne bereits sein höchst
ersehntes, huldvolles herrliches Antlitz, dort aus der
Richtung des Sonnenaufgangs kommt er heran!
Saul in: Gut denn, liebe Sofia, morgen zur gewohnten Stunde
sehen wir uns ja wol wieder, wenn es Dir passt! Ich
werde inzwischen versuchen, alles, was ich heute von
Dir gehört, aufzuzeichnen, damit ich mir selbst die
Erinnerung an Deine Mitteilungen besser auffrischen kann,
wenn ich ihrer bedarf, und in Zukunft auch andere der
selben teilhaftig machen kann.
Sofia: Mich wundert, dass er mit schnellerem Fluge als
gewöhnlich herankommt, ich sehe ihn nicht nach sonstiger
Gewohnheit mit seinem Heroldstabe scherzen und mit
tänzelndem Fluge die durchsichtigen Lüfte schlagen wie
sonst. Er scheint ja ausserordentlich ernst und eilig zu
sein. Sieh 5 da, jetzt sieht er mich und giebt mir —
Gott sei Dank — durch seinen Blick zu verstehen, dass
sein sorgenvolles Aussehen mit meiner Angelegenheit
nichts zu schaffen hat.
Merkur: Gnädig sei Dir immerdar das Fatum, ohnmächtig
sei gegen Dich die Wut der Zeit, meine geliebte Tochter,
Schwester und Freundin!
Sofia: Aus welcher Ursache, mein schöner Gott, sieht Dein
Angesicht heute so verstört aus? Mir däucht, Du willst
heute nicht so freigebig wie sonst mit Deinem angenehmen,
huldreichen Besuch sein; sehe ich Dich doch kommen
wie mit der Extrapost, und Dein Äusseres deutet an, dass
Du minder gewillt bist, ein wenig bei mir zu weilen,
als vielmehr eine weitere Reise zu unternehmen!
Merkur: Die Ursache ist, dass ich in aller Eile abgesandt
bin, um dem weiteren Umsichgreifen des Brandes