Full text: Reformation des Himmels

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Nur eine einz’ge gold’ne holde Satzung galt, 
Die uns Natur gegeben, als sie sprach: 
,,Erlaubt ist, was gefällt! 
Si libet, licet.“ *) 
Jene Neiderin der Ruhe und Glückseligkeit und 
selbst desjenigen Schattens von Vergnügen, den uns 
dieses Erdenleben vergönnen möchte, hat dem Liebes- 
genuss, der Speise, dem Schlaf Gesetze aufgelegt, so dass 
wir uns nicht bloss weniger freuen dürfen, sondern sogar 
uns meistenteils selber quälen und Schmerzen bereiten 
und sie stempelt zum Diebstahl, was eine Gabe der 
Natur ist, und will, dass man das Schöne, das Angenehme 
und Gute verachten und Wert legen soll auf das Schlechte, 
Bittere und Böse. Sie verleitet die Menschen, das 
') Diese viel zitierten Verse aus Tasso’s „Aminta“ findet man in 
freier und schönerer Umdichtung auch bei Göthe, Tasso II, 1, woselbst 
Tasso spricht: 
„Die gold’ne Zeit, wohin ist sie geflohen, 
Nach der sich jedes Herz vergebens sehnt? 
Da auf der freien Erde Menschen sich 
Wie frohe Iieerden im Genuss verbreiteten, 
Da ein uralter Baum auf bunter Wiese 
Dem Hirten und der Hirtin Schatten gab, 
Ein jüngeres Gebüsch die zarten Zweige 
Um sehnsuchtsvolle Liebe traulich schlang; 
Wo klar und still auf immer reinem Sande 
Der weiche Fluss die Nymphe sanft umfing; 
Wo in dem Grase die gescheuchte Schlange 
Unschädlich sich verlor, der kühne Faun, 
Vom tapfern Jüngling bald bestraft, entfloh; 
Wo jeder Vogel in der freien Luft 
Und jedes Tier, durch Berg und Thäler schweifend, 
Zum Menschen sprach: Erlaubt ist, was gefällt.“ 
Aber die Prinzessin erwidert: 
„Mein Freund, die gold’ne Zeit ist wol vorbei; 
Allein die Guten bi’ingen sie zurück. 
Und soll ich Dir gestehen, wie ich denke: 
Die gold’ne Zeit, womit der Dichter uns 
Zu schmeicheln pflegt,. die schöne Zeit, sie war, 
So scheint es mir, so wenig als sie ist; 
Und war sie je, so war sie nur gewiss, 
Wie sie uns immer wieder werden kann. 
Noch treffen sich verwandte Herzen an 
Und teilen den Genuss der schönen Welt: 
Nur in dem Wahlspruch ändert sich, mein Feund, 
Ein einzig Wort: Erlaubt ist, was sich ziemt.“ 
Der nachdenkende Leser Bruno’s wird bald finden, dass seine 
Ansicht von der goldenen Zeit dieselbe ist, wie die der Prinzessin.
	        
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