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Republiken, Königreiche, Herrschaften, Familien und
Einzelnen sagen wollen, dass man heilig nur mit dem
heiligen, schlecht mit dem schlechten sein solle, wenn
man sich wegen seiner Verbrechen damit entschuldigen
darf, dass man einen Verbrecher zum Gefährten und
Nachbarn habe, und dass man nicht von uns fordern
könne, absolut gut zu sein, als wenn wir Götter wären,
sondern nur nach Gelegenheit und Bequemlichkeit, wie
die Schlangen, Wölfe und Bären giftig und bissig sind.
„Ich will“, fügte der Vater hinzu, „dass die Treue unter
den Tugenden als die rühmlichste gelte, und es
sei denn, dass sie von vornherein nur unter der Bedingung
der Gegentreue gegeben ist, soll es nimmer gestattet
sein, sie zu brechen, weil der andere sie brach,
sintemal es vielleicht Gebrauch irgend eines bestialischen
und barbarischen Juden und Türken, nimmermehr aber
von der Art des griechischen und römischen Bürger- und
Heldensinns ist, bloss zum eigenen Vorteil und zur
Ermöglichung des Betruges zu gewissen Zeiten und gegen
über einer gewissen Art von Leuten die Treue zu ver
sprechen, um sie zur Dienerin der Tyrannei und des
Verrats zu machen.“
Saul in: 0 Sofia, es giebt auch keine schändlichere Kränkung,
keine verbrecherischere und erbarmungswürdigere Ver
letzung, als wenn der eine den andern dadurch schädigt,
dass und weil ihm der andere Glauben und Vertrauen
geschenkt hat, und wenn einer von dem andern deshalb
geschädigt wird, weil er ihm Treue gewahrt und ihn für
einen ehrlichen Mann gehalten hat.
Sofia: „Ich will also,“ sprach der Hochdonnernde, „dass diese
Tugend im Himmel hochgefeiert werde, auf dass sie in
Zukunft auch auf Erde besser geschätzt werde. Sie soll
an der Stelle strahlen, wo man bislang das Dreieck
erblickte, durch welches die Treue in passender Form
versinnbildlicht wurde; denn die Figur des Dreiecks ist,
da sie aus der geringsten Zahl von Ecken besteht und
am weitesten von der Kreisform abweicht, schwerer
beweglich, als irgend eine andere Form.