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Sa ul in: Wie könnt Ihr nur so sprechen, o Sofia, da doch Zeus
zur Zeit der ägyptischen Kulte noch gar nicht so' genannt
wurde, vielmehr sich als solcher erst viel später bei den
Griechen findet.“
Sofia: Stoss Dich nicht an dem griechischen Namen, Saulin;
denn ich bediene mich eines allgemeinen Sprachgebrauchs;
sind doch auch bei den Griechen die Namen der Gottheit
künstlich und gemacht, und wissen wir doch alle recht
gut, dass Zeus ein König • von Kreta gewesen ist, ein
sterblicher Mensch, dessen Körper nicht minder als der
aller anderen Menschen Staub und Asche geworden ist;
auch ist es kein Geheimnis, dass Venus ein sterbliches
Weib gewesen ist, von entzückender Schönheit, eine über
alle Massen reizende anmutige und freimütige Königin
von Cypern. Ähnlich kannst Du von allen anderen Göttern,
die als Menschen erkannt sind, überzeugt sein. x )
Hypnotismus als Heilmittel wol bekannt waren; und angesichts der
Thatsache, dass die wissenschaftlichen Bemühungen der französischen
Medizinerschulen von Paris und Nancy dieses hochwichtige Gebiet einer
psychologischen Heilkunst, die übrigens selbstverständlich durchaus auf
Naturgesetzen beruht, im Kampfe mit einem gegeji alle nicht grob stoff
lichen Beziehungen und Kräfte übermässig skeptischen Zeitalter eben erst
wieder zu erschliessen im Begriff sind, wird man lebhaft an den „vojn
Fatum verordneten Wechsel zwischen Licht und Finsternis erinnert“.
\ 7 ergl. Lambert, „Vor 3000 Jahren, Hypnotismus und
Elektrizität im alten Ägypten“, „Sphinx“, Januar-Heft. V, 25,
desgl. Kuhlenbeck, „Giordano Bruno und die natürliche Magie“, „Sphinx“,
Märzheft V, 27.
b Die Anschauung, welche Bruno hier bezüglich der mythologischen
Göttergestalten vertritt, bezeichnet man als „Euhemerismus“.
Euheineros von Cyrene, ein Philosoph zur Zeit des Königs Kassander,
trat als griechischer Religions-Kritiker mit noch grösserer Kühnheit auf,
als David Strauss und Baur als Kritiker der historischen Grundlagen des
Christentums; er behauptete, dass die Götter des griechischen Religions
systems historische Persönlichkeiten gewesen seien, die der Mythus erst
nach ihrem Tode als Götter verherrlicht habe, so sei Venus eine schöne
Frau auf Cypern, Zeus ein gerechter König auf Kreta gewesen, cf. Cicero,
„De natura Deorum“ I. 42; Plutarch, „Moralia“ p. 860. Bis zur Begründung
der wissenschaftlichen vergleichenden Mythologie in unserem Jahrhundert,
die hauptsächlich am Leitfaden der Etymologie die Unrichtigkeit dieser
rationalistisch-historischen Auffassung nachgewiesen und die Götternamen
auf Natui’kräfte zurückgeführt hat, hat der Euhemerismus in der wissen
schaftlichen Beurteilung der antiken Religionsanschauungen vorgewaltet.
So findet sich noch in der „Histoire de TAstronomie“ par Delambre
Paris 1827 folgende verblüffende Behauptung über die historische Existenz
der antiken Göttergestalten, I. p. 6 :
„Nous croyons donc, qu’Uranus, Atlas et Saturne et ses enfants
sont des personnages réels, parce que leur existence n’a rien que de