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auf der Oberfläche dieses Werkes lachen, spötteln und sich
lustig machen; unter derselben ruht um so sicherer verdeckt
und verborgen ein Schatz von Wahrem und Gutem. Denn
wir machen es geradezu umgekehrt, wie jene Pharisäer, deren es
leider nur allzuviel gibt, die es trefflich verstehen, unter finsteren
Brauen, demütigen Mienen, Philosophenbärten und würdevollen
Magistermänteln ihre ebenso leichtfertige wie hochmütige
Dummheit und ihre ebenso gefährliche wie gefeierte Erbärm
lichkeit voll Bedacht zum allgemeinen Schaden zu verheim
lichen. Freilich von dieser Art werden Viele, die nimmermehr
für weise und tugendhaft befunden würden, falls einmal ihre
eigene Tugend und Weisheit auf die Wagschale käme, sich
über uns erheben und zu beweisen versuchen, dass wir selber
sündhaft und unwissend sind.
Gott aber weiss es und die unfehlbare Wahrheit erkennt
es, dass jene dumm und verderbt sind, während ich selber
in allen meinen Gedanken, Worten und Werken nichts anderes
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erstrebe als Aufrichtigkeit, als Einfalt und Wahrheit.
So wird auch dereinst dort das Urteil lauten, wo edle
Thaten und Werke nicht für wertlose Früchte gelten, wo es
nicht höchste Weisheit heisst, ohne Unterschied zu glauben,
wo sich Betrügereien der Menschen unterscheiden lassen von
göttlichen Fügungen, wo es nicht für ein gutes Werk und für
übermenschliche religiöse Frömmigkeit gilt, das Gesetz der
Natur zu verkehren, wo eifrige Forschung nicht für Narrheit
geachtet wird, wo die Ehre nicht an dem geizigen Besitz, der
Glanz nicht an Üppigkeit und Schwelgerei haftet, wo die
äussere Achtung nicht von der Menge der Bedientenschaft, die
soziale Stellung nicht von der besseren Kleidung und äusser-
lichem Reichtum, die Wahrheit nidfet von äusserlichen Wundern
abhängt, wo Bosheit nicht Klugheit, Verrat nicht Höflichkeit,
Falschheit nicht Weisheit, Heuchelei nicht rechte Lebensart,
Wut und Rauflust nicht Tapferkeit heisst, wo das Recht nicht
roher Macht, Gerechtigkeit nicht mit Herschermacht, Urteil
nicht mit äusserlicher Entscheidungsgewalt verwechselt wird.
In diesem Buche spricht Giorclano die Sprache
des natürlichen Lebens, redet frei heraus und schämt
sich nicht, jedem Dinge seinen wahren Namen zu geben, wie