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des Denkers erfasste Gottesidee. Diesem Gefühls-Untergründe
seiner Ideen ist es zuzuschreiben, wenn Brunnhofer ihre Dar
stellung mit dem Satze einleiten darf: „Wer sich aus dem Stu
dium Kant’s, Schopenhauers oder Ed. v. Hartmann’s flüchtet,
um in Bruno’s Philosophie die verlorene Freude an der Welt
wiederzufinden, erfährt eine ähnliche Umwandlung seines inner
sten Wesens, wie wenn einer, noch von Entsetzen starr über
die grauenvollen Bilder, die ihm Dante vorgemalt, sich zu den
Liedern Goethe’s wendet und da erst wieder lernt, am sonnigen
Frühlingsmorgen in Feld und Wald hineinzujauchzen oder im stillen
Mondenglanze die Seligkeit treuer Freundschaft zu gemessen. u
Wie wir von Bruno’s Leben gleichwie von jeder echten
Tragödie bei all dem erhabenen Unglück doch mit versöhnt
ausklingender Stimmung scheiden konnten, so ist auch seine
Philosophie optimistisch im edleren Sinne, eine Philosophie
der Versöhnung zwischen Glauben und Wissen, zwischen Leben
und Leiden. Ungleich lebendiger als Spinoza's starre „Substanz“
ist Bruno’s Gottesidee im edelsten Sinne mystisch und religiös.
Gott selber bleibt ihm der Unerkennbare, der in einem Lichte
wohnt, zu dem endliche Einsicht nimmer gelangen kann. Zwar
das Universum ist die vollendete Darstellung der Gottesidee;
aber vermöchte der denkende Geist auch die Unendlichkeit des
Alls zu überschauen, so bliebe ihm doch seine schaffende Idee
selber unerreichbar. „Denn wer die Statue sieht, sieht nicht
den Bildhauer. Mithin können wir von der göttlichen Substanz
gar nichts wissen, — höchstens können wir von ihr eine Spur
erkennen, wie die Platoniker, eine entfernte Wirkung, wie die
Peripatetiker, eine Hülle, wie die Kabbalisten sagen, wir
können ihn gleichsam von hinten anschauen nach dem Aus
druck der Talmudisten, oder sie im Spiegel, im Schatten, im
.Rätsel sehen, nach dem Ausdruck der Theosophen.“ *)
Man wird es mir nach diesem Citat erlassen, die meistens
doch nur auf Wortstreitigkeiten und einseitigen Begriffs
abgrenzungen beruhende Streitfrage zu berühren, ob der
Nolaner ein Theist, Pantheist oder Atheist gewesen sei. Jeden
falls sollte man diesen Märtyrer seiner Überzeugungen nicht
h Bruno, „Von der Ursache, dem Anfang und dem Einen" (Lasson’s
Übers, p. 47).