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Für den Wesenskern des Menschen, die Monade, ist also
der Tod ebensowenig ein Übergang in’s Nichts, wie die Geburt
ein Hervorgellen aus dem Nichts war. „Die Geburt ist das
Sichausspannen eines Mittelpunkts, das Leben die Aufrecht
erhaltung der so geschaffenen Sphäre, der T o d das Sich-
zurückziehen auf den Mittelpunkt.“ r ) Geburt und Tod haben
nur die Bedeutung eines Übergangs in neue Daseinsbedingungen.
„Was wir Sterben heissen, ist die Geburt zu einem neuen
Leben, und oft wäre gegen jenes zukünftige Leben wol das
jetzige Tod zu nennen.“ Die Versinnlichung in der Geburt (In
carnation) ist der Lethetrank, der das Vorleben vergessen macht,
aber vielleicht wacht die Erinnerung nach dem Tode wieder auf.
Diesen Glauben an die Ewigkeit und damit an die
Präexistenz und Wiederverkörperung der Seele, den nur Ober
flächlichkeit verwechseln dürfte mit dem exoterischen Aber
glauben der Seelen Wanderung, da er vielmehr statt einer
äusserlichen Wanderung eine innerliche (sich fort, entwickelnde)
Seelen wandelung annimmt, diesen Glauben also hat Bruno,
wie sein Biograph Brunnhofer richtig bemerkt, „mit vollem
Bewusstsein geteilt mit den Priester - Philosophen des antiken
Morgen- und Abendlandes, mit den Brahmanen und Magiern,
den Chaldäern und Ägyptern, den Pythagoräern und Druiden;
es ist der Glaube, welcher noch jetzt drei Viertel der Menschheit,
nämlich die brahmanische und buddhistische Kulturwelt lebens
bestimmend beherrscht und der in einer vom Darwin der
Zukunftspsychologie geläuterten Gestalt auch die europäischen
Glieder der indogermanischen Menschheit mit elementarer Gewalt
packen wird“, hoffentlich recht bald zur Steuerung der sittlichen
Versumpfung unserer Zeit! Die edelsten Geister unserer Nation,
ein Lessing, Herder, Schiller, Goethe und Schopenhauer haben
sich mehr oder weniger deutlich zu ihm bekannt; der letztere,
im späteren Lebensalter zur individualistischen Vertiefung seiner
Philosophie geneigt, gab ihm den prägnanten Ausdruck: „So
sehr auf der Bühne der Welt die Stücke und die Masken wechseln,
so bleiben doch in allen die Schauspieler dieselben.“
ff „De Triplici Minimo“, p. 13. Leibnitz hat diesen Satz, ohne
seinen geistigen Urheber zu nennen, häufig copiert.
Kuhlenbeck, Giordano Bruno.
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