für Gelehrsamkeit, Wahrheit für Wahrheit, Güte und Tugend
für Güte und Tugend, Heuchelei für Heuchelei, Betrug für
Betrug, Phrasen und Träume für Phrasen und Träume, Frieden
für Frieden und Liebe für Liebe.
Er achtet Philosophen für Philosophen, Pedanten für
Pedanten, Mönche für Mönche, Bedientenseelen für Bedienten
seelen, Pfaffen für Pfaffen, Blutsauger für Blutsauger u. s. w.
Taugenichtse, Marktschreier, Scharlatane, Kleinigkeitskrämer,
Aufschneider, Komödianten für eben das, was sie sagen, thuen
und sind. Andererseits aber achtet er auch Arbeiter, Wohl-
thäter, Weise und Helden für das, was sie wirklich sind.
Wolan denn, wolan, wir sehen es ja, wie sehr deshalb dieser
Nolaner, ein Bürger und Hausgenoss der ganzen Welt, 1 ) ein
zachtigkeit sich vielleicht selbst die Feder Zola’s sträuben würde, — war
gewiss nichts unbekannter als die sog. moderne Prüderie, die übrigens
nur die direkte Benennung dessen verpönt, was gleichwol fast den
einzigen Stoff all der erotischen schlechten Ptomane und Poesien bildet,
wie sie die Lektüre wahrhaft poetischer oder gar philosophischer Klas
siker bei unserem sinnlich entarteten Geschlecht verdrängt haben.
Übrigens können in Hinsicht der Decenz des Ausdrucks die Dialoge
Bruno’s eine Vergleichung mit den Predigten und geistlichen Erbauungs-
schi'iften eines Luther und Abraham a St. Clara sehr wohl aushalten;
und gegenüber dem kirchlich gesinnten Dr. Clemens scheint es auch an
gemessen, selbst auf Kirchenväter und Scholastiker, wie z. B. Ter-
tullian, Albertus Magnus u. a. hinzuzeigen, die auch keineswegs immer
sehr salonfähig im heutigen Sinne geschrieben haben und dabei nicht
einmal durch das alte Privilegium dichterischer Lizenzen entschuldigt
werden können, wie Bruno. Sodann verwechselt Clemens augenscheinlich
blosse Naivetät der Ausdrucksweise, wie sie sich bei den Alten (bsp.
Sophokles) selbst an tragischen und hochpathetischen Stellen findet,
in durchaus unzulässiger Weise mit Schlüpfrigkeit der Darstellung.
Letztere kann dem Nolaner nicht vorgeworfen werden. Wenn
derselbe daher auch nicht zu einem Vorbilde sinnlicher Enthaltsamkeit
gestempelt werden soll, so scheint er mir doch, was Reinheit der Phan
tasie betrifft, hoch über der blos körperlichen Enthaltsamkeit manches
kirchlichen Coelibatairs gestanden zu haben, ja, was Goethe von Schiller
rühmt, lässt sich auch auf Bruno anwenden:
,.Hinter ihm in wesenlosem Scheine
Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.“
J ) Bei Bruno zeigt sich bereits in hervorragendem Masse jener,
auch der deutschen Aufklärung und ihren Heroen typische Kosmopoli
tismus, jenes Weltbürgertum, das zur Zeit durch einen selbst die Wissen
schaft in Mitleidenschaft ziehenden Nationalitätsdünkel verdrängt wird.
Vergl. hierüber Schopenhauer, Parergaund Paralip. II. § 261. Unbeschadet
dieses Weltbürgertums ist aber doch Bi'uno von glühender Vatei-lands-
liebe beseelt gewesen; hat ihn doch das Heimweh geradezu in den Tod
geführt. Auch in der vorliegenden Schrift giebt er, der sich stets den
Nolaner nennt, rührende Beweise seiner Anhänglichkeit an die Heimat.