Full text: Reformation des Himmels

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Wesen, welche man beseelte nennt, der Wesenskern, sei es 
vom Centrum des Herzens oder einem dem analogen Mittel 
punkt aus, indem er die Glieder entwickelt und gestaltet und 
sie, wenn sie entwickelt und gestaltet sind, erhält; — ebenso, 
genötigt von einer Ursache der Auflösung, verlässt er sein 
Bauwerk und veranlasst dadurch dessen Verfall; jetzt lösen 
sich die entgegengesetzen Elemente, zerreissen die Bande, 
und heben die bildliche Darstellung des Wesens auf, da sie 
nicht ewig mit denselben Mischungen, unter Behaltung der 
selben Fäden und Wahrung derselben Ordnungen sich in einem 
und demselben Zusammenhang von selber zusammenschliessen 
können. So beweist die Seele, dass sie es allein war, welche 
den Zusammenhang der äusseren Glieder mit dem Herzen be 
wirkte und das an sich fühllose Getriebe und die Maschinerie 
zusammenhielt, am deutlichsten gerade dann, wenn 
sie den Körper durch dieselbe Pforte verlässt, 
durch welche es ihr einst gefallen, in denselben 
einzu treten. 1 ) 
x ) Wenn Bruno hier seine Seelenlehre mit anschaulichen Worten 
zusammenfasst, so genügt er in der Vorrede zu einem ethischen Werke 
einem durchaus nicht unbegründeten Bedürfnis. Denn das Problem, die 
Moral von allen metaphysischen und psychologischen Voraussetzungen 
abzulösen und auf sich selber zu stellen, ist dem Materialismus unserer 
Tage Vorbehalten geblieben und bislang auch von diesem nicht gelöst; 
wo der Materialismus konsequent ist, hat er stets zugleich mit der 
selbständigen Seele auch die selbständige Ethik leugnen müssen; er 
dürfte höchstens für jene Art Opportunitäts-Ethik, wie sie Bentham und 
neuerdings der philosophierende Rechtsgelehrte von Ihering (Zweck im 
Recht II.) als intelligenteste Art des Egoismus anzupreisen versuchen, 
als Grundlage tauglich sein. 
Vielleicht ist doch dies Problem, die Ethik von der Psychologie 
abzulösen, ebenso unlösbar, wie das heute gleichfalls in Angriff genom 
mene Problem einer Psychologie ohne Seele (bsp. Höffding, Psychologie 
in Umrissen, Leipzig 1887). Führte nicht die Ethik selbst einen Kant 
von der kritischen Zersetzung aller „rationalen Psychologie“ wieder zur 
Anerkennung derselben als „Postulates der praktischen Vernunft“ zurück? 
Einem Bruno verwehrte noch sein „naiver Dogmatismus“ dieses an den 
sich selber und sein Ross aus dem Sumpfe ziehenden Baron von Münch 
hausen erinnernde Kunststück. 
Nun sind drei wesentlich verschiedene Ansichten in Bezug auf die 
Seele möglich: 
1. der Materialismus, der die Seele leugnet oder sie wenigstens 
zu einem blossen Phänomen körperlicher Funktionen degradiert ; 
2. der Dualismus, der ihre Existenz behauptet und ihr Wesen als 
eine Selbständigkeit in einen unvermittelten Gegensatz zu dem gleicher- 
massen selbständigen Körper setzt;
	        
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