102
A. Die astrophysikalischen Forschungsniethoden
Rechnung gezogen werden müssen. Den normalen Vorgang der Abschwä
chung in der Atmosphäre nennt man Extinktion.
Die Extinktion entsteht durch die vereinigte Wirkung von Absorption
und von Zerstreuung; erstere in den Gasen, welche die Atmosphäre zusam
mensetzen, letztere an flüssigen und festen Partikeln, die in der Atmosphäre
suspendiert sind, sowie an den Gasmolekülen selbst. Diejenigen Gase, welche
in der Atmosphäre in stets konstanter Menge auftreten, sind: Stickstoff 78%,
Sauerstoff 21%, Argon nahe 1% und Kohlensäure 7:?%- Dazu kommen noch
Edelgase, die aber nur in verschwindend geringer Menge auftreten. In stets
wechselnder Menge sind in der Atmosphäre vorhanden: Wasserdampf, Ozon,
Ammoniak und salpetrige Säure. Von diesen Gasen spielt der Wasserdampf
die Hauptrolle, der in warmer Luft in großer Menge gelöst sein kann, wäh
rend bei kaltem Wetter im Winter zuweilen nur ganz geringe Mengen vor
handen sind. Als suspendierte feste Stoffe kommen in Betracht: alle Arten
von Staub, wie feinster Sand, Ruß, organische Stoffe und kondensierter
Wasserdampf in Form von Schnee oder Eiskristallen, in flüssigem Zustande
als Wassertröpfchen.
Die Absorption in den Gasen ist eine zweifache. Die allgemeine Ab
sorption äußert sich darin, daß die ganze Strahlung oder wenigstens sehr
große Gebiete im Spektrum derselben in gleichförmiger Weise und in meist
nur geringer Stärke geschwächt werden, und die selektive Absorption,
bei der nur ganz schmale Gebiete der Strahlung, diese aber meist sehr stark
oder vollkommen ausgelöscht werden. Während die erste Art im Spektro
skop kaum oder gar nicht wahrgenommen werden kann, treten bei der
zweiten mehr oder weniger kräftige dunkle Linien oder Bänder auf, die als
atmosphärische Linien bezeichnet werden, und über die bei Gelegenheit
der Beschreibung des Sonnenspektrums Ausführlicheres mitzuteilen sein wird.
Hier sei nur erwähnt, daß die selektive Absorption hauptsächlich vom Rot
bis zum Grün auftritt. Die hauptsächlichste Absorption wird durch den
Wasserdampf verursacht; Sauerstoff und Stickstoff absorbieren trotz ihrer
überwiegenden Menge nur wenig, auch die Kohlensäure bewirkt im sicht
baren Spektrum keine merkliche Absorption. Im Ultraviolett setzt die Ab
sorption, zuletzt fast plötzlich, wieder ein, so daß unsere Atmosphäre für
Strahlen von der Wellenlänge 0.3 u bereits gänzlich undurchlässig ist. Man
vermutet, daß diese plötzliche Absorptionszunahme wesentlich durch Ozon
bedingt ist, dessen Spektrum hier starke Absorptionsbänder besitzt. Die
stärksten Absorptionen finden im Ultrarot statt, wo Wasserdampf und Koh
lensäure Absorptionsbänder aufweisen, die von größerer Ausdehnung sind
als unser ganzes sichtbares Spektrum (vgl. Abb. 98).
Auch Lichtzerstreuung findet in unserer Atmosphäre statt, wobei als zer
streuende Partikeln sowohl die Luftmoleküle selbst wie in der Atmosphäre
suspendierter Staub und Wasserdampf in Frage kommen. Nach den Unter
suchungen Rayleighs erfolgt diese Zerstreuung umgekehrt proportional %
so daß die blauen und violetten Strahlen beim Durchgang durch die Atmo
sphäre wesentlich stärker zerstreut werden als die roten. Hierin liegt die
Erklärung der blauen Himmelsfarbe. Eine unmittelbare weitere Folge dieser
Molekulardiffraktion ist die Erscheinung, daß am Grunde des Luftmeeres die
blauen und violetten Teile des Spektrums stärker geschwächt erscheinen als