IV. Die Himmelsphotographie
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kann; der gewaltige Aufschwung der Himmelsphotographie in den letzten
Jahrzehnten ist unmittelbar an die Erfindung dieses Verfahrens geknüpft.
Noch einleuchtender erscheint aber der Vorzug desselben, wenn man mit
ihm den Umstand der fast unbegrenzten Ausdehnung der Expositionszeit
verbindet. Wir hatten schon gesehen, daß bei dem zweitempfindlichsten
Verfahren des nassen Kollodiums die Expositionszeit höchstens bis zu 15 Mi
nuten ausgedehnt werden kann, während heute verschiedene Nächte hin
durch fortgesetzte Expositionszeiten von 20, 30, bei Spektralaufnahmen sogar
von 60 bis 80 Stunden nichts Auffallendes mehr sind.
Diesen überwiegendenVorzügen des Bromsilber-Gelatineverfahrens stehen
aber auch gewisse Nachteile gegenüber. Es scheint das unabänderliche Ge
setz vorzuliegen, daß mit der zunehmenden Empfindlichkeit die Grobheit
des Silberkorns wächst. Das feinste Korn, welches erst bei recht starken
Vergrößerungen zutage tritt, zeigen die DAGUERRESchen Platten und die
höchst unempfindlichen Eiweißplatten. Es folgen dann das nasse Kollo
dium mit recht feinem Korn, die Chlorsilberplatte und schließlich die Brom
silberplatte, deren Korn bereits bei 4- bis 5-facher Vergrößerung gut zu er
kennen ist und Vergrößerungen über 10 bis 12 hinaus ganz illusorisch macht.
Man kann zwar Bromsilberplatten vom allerfeinsten Korn herstellen, sie
sind aber alsdann auch sehr unempfindlich. Diejenigen Verfahren, welche
die Platten empfindlich machen, vergrößern auch das Korn; offenbar stehen
also Empfindlichkeit und Korngröße in einem ursächlichen Zusammenhänge
miteinander.
Sehr wichtig für die Astrophotographie ist der graduelle Vorgang von der
Belichtung Null an bis zu den kräftigsten Lichteinwirkungen.
Jede frische, selbst mit der größten Vorsicht hergestellte Platte weist
auch ohne jede Belichtung nach dem Entwickeln eine nichf unbeträchtliche
Zahl von Silberkörnern auf, allerdings nicht in dem Maße, daß sie einen
leichten Schleier hervorbrächten. Dieser Umstand beweist, daß bereits wäh
rend der Herstellung der Emulsion die Reduzierbarkeit einzelner Körner ein
getreten ist. Beginnt man nun mit sehr geringen Belichtungen, so wird zwar
die Zahl der zersetzten Körper stetig vermehrt, aber bis zu einer gewissen
Grenze nur in sehr geringem Maße, so daß von einer Schleierbildung noch
keine Rede ist. Die Platte befindet sich jetzt im Zustande der Vorbelichtung;
denn es genügt nun eine weitere, sehr geringe Belichtung, die bei einer gänz
lich unbelichteten Platte keine merkliche Wirkung hervorbringen würde, um
eine sehr plötzliche, beträchtliche Vermehrung der reduzierten Körner hervor
zurufen. Eine solche Vorbelichtung, die man folgerichtig auch künstlich an
wenden kann, hat also die Platte empfindlicher gemacht, und der ganze
Vorgang beweist, daß eine gewisse kleine Lichtarbeit als Vorbereitung für
die Reduzierbarkeit notwendig ist; hieraus folgt eine weitere, für unsere
Zwecke sehr wichtige Tatsache, daß es nämlich eine gewisse, sehr kleine
Intensität gibt, die auch bei sehr großer Expositionszeit keine erkennbare
Wirkung auf die Platte ausübt.
Ist die Grenze der Vorbelichtung überschritten, und verstärkt man die
Belichtung graduell, so findet auch eine graduelle Vermehrung des Silber
niederschlags statt, die eine kurze Zeitspanne hindurch der Belichtung pro
portional zu verlaufen scheint, bis man sich dem Maximum der Dichtigkeit