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A. Die astrophysikalischen Forschungsmethoden
herum; das Maximum des Silberniederschlags entsteht unter allen Umstän
den in der geometrischen Mitte des Scheibchens, genau in dem Punkte, in
welchem der Hauptstrahl die photographische Platte schneidet.
Nach Berücksichtigung der Distorsion würde die Platte ein in allen Tei
len ähnliches Bild der scheinbaren Konstellation, welche photographiert
worden ist, gewähren, wenn die Aufnahme auf einer durchaus unveränder
lichen, festen Schicht stattgefunden hätte. Das ist aber nicht der Fall; viel
mehr bestehen die empfindlichen Schichten stets aus einer organischen Sub
stanz, die bei der notwendigen Behandlung mit wässerigen Lösungen auf
weicht, staik aufquillt und daher keineswegs als stabil anzusehen ist.
Gerade bei den Gelatineplatten sollte man also a priori eine sehr starke
Verziehung der Schicht erwarten, da die Exposition im trockenen Zustand
der Gelatine erfolgt, und diese beim nachherigen Aufweichen bis zum Zehn
fachen ihrer ursprünglichen Dicke aufquillt. Nach den bisherigen Erfahrun
gen treten indessen starke Verzeichnungen glücklicherweise nicht auf. Sie
sind im Gegenteil zumeist so gering, daß sie ähnlich wie bei den nassen
Kollodiumplatten nur lokalen Charakter besitzen und nur auf Grund ganz
spezieller Untersuchungen festgestellt werden können.
Wesentlich zur Unschädlichmachung der anfangs befürchteten systema
tischen Verzerrungen der Gelatineschichten hat man sich des Aufkopierens
feiner Gitter bedient, was folgendermaßen bewerkstelligt wird. In die Silber
schicht einer Spiegelglasplatte wird mit dem Diamanten ein Netz von auf
einander senkrecht stehenden Strichen mit möglichster Genauigkeit einge
ritzt, wobei man als Strichdistanz allgemein 5 mm angenommen hat. Auf
der sonst undurchsichtigen Platte lassen also nur die Striche Licht hindurch.
Wird dieses Gitter vor der Exposition am Himmel auf die Gebrauchsplatte
aufkopiert, so erscheint durch die nachträgliche Entwicklung ein dunkles Netz
auf der Platte. Da die Striche äußerst dünn sind — ihre Dicke übersteigt
kaum 0.01 mm —, so schädigen sie die Aufnahme selbst nicht; es ist ferner
Gautier in Paris gelungen, die Netze mit solcher Genauigkeit auszuführen,
daß selbst bei den feinsten Messungen die Strichabstände als genau gleich
betrachtet werden können. Richtet man nun die Messungen so ein, daß z. B.
der Ort eines photographierten Sterns nur an die benachbarten Gitterstriche
angeschlossen wird, so werden die größeren Verzerrungen den Stern und
die nächsten Striche gleichmäßig beeinflussen und in den gemessenen Ab
ständen herausfallen, wenn man das aufkopierte Netz als fehlerlos ansieht.
Wegen der Geringfügigkeit der Schichtverzerrungen ist das Gitter eigent
lich nicht mehr notwendig; seine Benutzung führt jedoch einen anderen
wesentlichen Vorteil herbei, nämlich den, daß sich die eigentlichen Messungen
nur auf kleine Distanzen bis zu 5 mm erstrecken. Dadurch wird einmal die
Konstruktion des Meßapparats eine einfachere, ferner werden aber auch die
Messungen genauer, da kleine Strecken durch die unvermeidlichen Verände
rungen des Meßapparats infolge von Temperaturänderungen und Durch
biegungen in viel geringerem Maße beeinflußt werden als große.
Bei langen Expositionszeiten, bei denen große Zenitdistanzen erreicht
werden, ist der Einfluß des Refraktionsunterschiedes zwischen den visuellen
und den photographischen Strahlen nicht mehr ganz zu vernachlässigen. In
solchen Fällen empfiehlt es sich, bei der Verwendung hellerer Leitsterne ein