Full text: Astrophysik

182 
B. Die Ergebnisse der astrophysikalischen Forschung 
Die Fleckenbildung findet durchaus nicht an allen Stellen der Sonnen 
scheibe statt; sie ist vielmehr fast vollständig auf zwei Zonen beschränkt, 
nämlich auf die Gürtel von etwa 10° bis 30° nördlicher und südlicher helio- 
graphischer Breite. Flecken außerhalb dieser Zonen sind seltene Erschei 
nungen, und in höherer Breite als 50° dürfte überhaupt wohl noch kein 
Fleck beobachtet worden sein. 
Von besonderem Interesse ist die Bewegung der Flecken. Im allgemeinen 
rücken sie in Kreisen parallel zum Sonnenäquator von Osten nach Westen 
fort; sofern sie sich nicht auf der sichtbaren Scheibe entwickeln, tauchen sie 
am Ostrande derselben auf, um am Westrande zu verschwinden, und bei be 
ständigeren Flecken kann man zuweilen eine mehrfache Wiederholung dieser 
Erscheinung beobachten. Es ist aus der Art dieser Bewegung ohne weiteres 
zu schließen, daß sie eine Folge der Rotation der ganzen Sonnenkugel ist, 
die in bezug auf die Erde in etwa 27 Tagen vor sich geht, während die 
siderische Rotationsdauer ungefähr 25 Tage beträgt. Die Umdrehung erfolgt 
dabei um eine Achse, die gegen die Normale auf der Ekliptik um 7° geneigt 
ist. Infolge der Lage der Knotenlinie ist Anfang Juni bis Anfang Dezember 
der Nordpol, in der Zwischenzeit der Südpol der Sonne nach der Erde zu 
gerichtet. 
Im einzelnen zeigen die Bewegungen der Sonnenflecken große Unter 
schiede, indem diese häufig ihren Ort sowohl in Breite als auch in Länge ver 
ändern. Über die Bewegungen in Breite ist man noch recht im unklaren; 
bestimmte Gesetzmäßigkeiten sind bisher nicht mit Sicherheit nachgewiesen 
worden. Die Veränderungen sind im allgemeinen klein, doch sind auch 
Beispiele beträchtlicher Breitenveränderungen bekannt; so hat ein Fleck, den 
Bianchi im Jahre 1866 während 5 Rotationsperioden der Sonne beobachten 
konnte, in dieser Zeit seinen Ort von 6 ° 26 bis 14° 57' heliographischer 
Breite verlegt. Secchi hat hiernach die Geschwindigkeit der Breitenänderung 
dieses Flecks zu etwa 800 km pro Tag berechnet. 
Auch die Bewegungen in Länge zeigen Unregelmäßigkeiten, immerhin 
hat sich trotz aller dieser Abweichungen die feststehende Tatsache ableiten 
lassen, daß die Rotationsgeschwindigkeit der Flecken keine konstante ist, 
sondern in starkem Maße von der heliographischen Breite abhängt, in dem 
Sinne, daß die Rotationsdauer mit wachsender nördlicher oder südlicher 
Breite zunimmt. Es ist das ein Resultat von besonderer Wichtigkeit, da es 
lehrt, daß diejenigen Stellen der Photosphäre, die durch die Flecken ge 
kennzeichnet sind, nicht wie eine feste Oberfläche rotieren, d. h. daß die 
Photosphäre selbst nicht als eine feste Begrenzungsschicht der Sonne aufzu 
fassen ist. Das theoretische Gesetz, nach dem die Verzögerung der Rotation 
mit zunehmender Breite vor sich geht, ist nicht bekannt; man hat sich bisher 
damit begnügen müssen, empirische Formeln abzuleiten, die die Beobach 
tungen möglichst gut darstellen. Fast alle bekannten Sonnenforscher haben 
derartige Formeln auf Grund der Ausgleichung eines bestimmten Beobach 
tungsmaterials aufgestellt. Eine der neuesten ist diejenige von Kempf, die 
sehr nahe dem Mittel aller früheren entspricht und besonders für die noch 
zu besprechenden Fackeln und Kalziumflocken gilt. Sie lautet: 
i = 14.44°- 2.62° sin 2 b ,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.