V. Die Sonne
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Die Untersuchung des ultraroten Spektrums der Sonne war längere Zeit
hindurch nur mit Hülfe des Bolometers (S. 72)«.möglich; gegenwärtig kann
sie genau ebenso wie im sichtbaren und ultravioletten Spektralgebiet auf
photographischem Wege erfolgen.
Die Zugänglichkeit der ultraroten Strahlung für die photographische Platte
beruht auf einem besonderen, von Abney erfundenen Verfahren, nämlich dem
Zusatz eines Harzes zum Bromsilber, wodurch die Empfindlichkeit so weit
getrieben werden kann, daß die Platten sogar für die sehr langen Wellen,
wie sie von kochendem Wasser, also von einer Wärmequelle von 100 ° C,
ausgehen, empfindlich werden. Für die feinere Aufnahme des Sonnenspek
trums hat sich diese Methode aber nur bis zur Wellenlänge 1 (i benutzen lassen.
Eine zweite Methode beruht auf der Phosphoreszenz und ist von Bec
querel benutzt worden. Ein möglichst intensives Sonnenspektrum wird auf
eine Schicht einer phosphoreszierenden Substanz projiziert; wird dann nach
einiger Zeit das Spektrum plötzlich abgeblendet, so erscheint der ultrarote
Teil desselben auf kurze Zeit in dem der Substanz eigentümlichen Lichte;
die dunklen Linien sind als solche zu erkennen. Eine Beobachtung oder
gar Messung ist bei dem sehr schnell verschwindenden phosphoreszieren
den Spektrum sehr unsicher und schwierig; man kann jedoch die Erschei
nung kontinuierlicher gestalten, wenn man auf den ultraroten Teil des zu
beobachtenden Spektrums den ultravioletten Teil eines andern Spektrums
projiziert, in welchem infolge weiter Spaltöffnung keine Linien mehr sicht
bar sind. Es tritt dann die eigentümliche Erscheinung ein, daß die durch die
ultraroten Strahlen erzeugte Phosphoreszenz durch die ultravioletten wieder
aufgehoben wird, aber je nach der Stärke der vorangegangenen Bestrahlung
verschieden. Infolgedessen erscheinen die Linien und Bänder des ultraroten
Spektrums hell auf dunklem Grunde; die Wirkung ist zwar nur auf eine
kleine Stelle des Spektrums beschränkt, durch Verschieben des ultravioletten
Spektrums können aber alle Teile nacheinander zur Sichtbarkeit gebracht
werden. Da das Spektrum projiziert werden muß, so gehen leider alle Fein
heiten verloren, und nur die starken Linien oder Bänder werden sichtbar.
Die dritte und beste Methode zur Untersuchung des ultraroten Spektrums
beruht auf der Messung der Wärmestrahlung mit Hilfe des Bolometers. Durch
Langley ist diese Methode, deren Auseinandersetzung bereits auf S. 72 er
folgt ist, auf einen sehr hohen Grad der Vollkommenheit gebracht worden,
wie die Reproduktion des LANGLEYSchen Bolometerspektrums (Abb. 97) auf
das deutlichste lehrt. Daß die Kurve die relativen Energien des Sonnenspek
trums wiedergibt, ist an der betr. Stelle erwähnt. Wie gewaltig das durch
Langley erschlossene Spektralgebiet ist, lehrt der Vergleich mit der Aus
dehnung des sichtbaren Spektrums (0.8 bis 0.4 fi) in Abb. 98.
Wir wollen nun der Frage nach dem Ursprung der dunklen Linien im
Sonnenspektrum näher treten. Wenige, flüchtige Beobachtungen mit einem
kleinen Spektroskop genügen bereits, um mit Deutlichkeit zu erkennen, daß
zwei verschiedene Ursprungsquellen vorhanden sein müssen. Während die
Mehrzahl der Linien, von Grün bis Violett überhaupt alle Linien, stets von
konstanter Stärke und Dunkelheit ist, zeigt sich bei vielen Linien im Rot,
Orange und Gelb ein sehr starker Wechsel des Aussehens, der von der Höhe
der Sonne über dem Horizont und von meteorologischen Bedingungen in