Full text: Astrophysik

216 
B. Die Ergebnisse der astrophysikalischen Forschung 
die Intensität der Koronalinien — man zählt gegenwärtig mindestens zehn 
Emissionen von Rot bis Ultraviolett — einem starken Wechsel unterworfen 
zu sein. Außer diesen Linien zeigt das Koronaspektrum auch die Wasserstoff-, 
Helium-, Kalzium- und Magnesiumlinien, so daß eigentlich ein spezifischer 
Unterschied zwischen Chromosphären- und Koronaspektrum kaum gemacht 
werden kann. Der Unterschied wird noch geringer, wenn man bedenkt, daß 
auch die Chromosphäre ein merkliches kontinuierliches Spektrum besitzt. 
Dieses tritt aber neben den überaus hellen Chromosphärenlinien stark zurück, 
während in der Korona die drei Spektra an Lichtstärke nicht sehr verschie 
den sind und sich daher durch gegenseitige Überlagerung stören und ver 
wischen. Wegen des innigen Zusammenhangs zwischen Chromosphären- 
und Koronaspektrum ist es schwierig, die eigentlichen Koronalinien von den 
übrigen zu trennen und zu entscheiden, ob sie alle demselben Stoffe an 
gehören wie die Linie im Grün oder nicht. 
Von unserer sehr wenig ausgedehnten Atmosphäre wissen wir, daß sie, 
von den äußersten Gebieten vielleicht abgesehen, an der Rotation der Erde 
teilnimmt; es ist eine Frage von großem Interesse, ob dies bei der Sonnen 
atmosphäre auch stattfindet, bzw. bis zu welcher Höhe derselben dies ge 
schieht. Daß in den tieferen Gegenden, in denen sich die Chromosphäre 
und die Protuberanzen befinden, die Atmosphäre an der Rotation teilnimmt, 
ist aus den direkten Beobachtungen ersichtlich; inwieweit das aber für die 
äußere Korona gültig ist, bleibt noch eine offene Frage. Unter Benutzung 
des DopPLERschen Prinzips kann man aus etwaigen Verschiebungen der 
Linien an den verschiedenen Stellen der Korona Schlüsse ziehen; aber die 
Untersuchung ist nicht so einfach, da bei der großen Durchsichtigkeit der 
Korona diejenigen Lichtstrahlen, die man an irgendeiner Stelle beobachtet, 
teilweise noch von den äußersten Stellen der Korona herrühren, die davor 
bzw. dahinter liegen, so daß hierdurch eine Verwaschenheit und Verbreite 
rung der Koronalinien entsteht. Deslandres hat bei der Sonnenfinsternis 
vom 16. April 1893 derartige Messungen bei einem Abstande von 3' bis 10' 
vom Sonnenrande an Kalziumlinien angestellt und als Geschwindigkeits 
differenz dieser Stellen zwischen Ost- und Westrand den Betrag von 6.8 km 
gefunden. Spätere Messungen von Campbell und Belopolski haben das 
Ergebnis bestätigt; danach nimmt also wenigstens die innere Korona an 
der Sonnenrotation teil. 
14. Die Sonnentheorien. 
Die Ansichten, welche im Laufe der Zeiten über die Konstitution der 
Sonne geäußert worden sind, entsprechen den jeweiligen allgemeinen phy 
sikalischen Kenntnissen und geben ein ungemein anschauliches Bild von der 
Entwicklung der ursprünglich naturphilosophischen und später exakt-wissen 
schaftlichen Betrachtungen. Der gewaltige Aufschwung in der allgemeinen phy 
sikalischen Erkenntnis, der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts stattfand 
und in theoretischer Beziehung durch das Gesetz von der Erhaltung der Kraft 
und den Aufbau der mechanischen Wärmetheorie, in praktischer Hinsicht durch 
die Begründung der Spektralanalyse charakterisiert ist, spiegelt sich auch auf das 
deutlichste in den damals entstandenen verschiedenen Sonnentheorien wider.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.