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B. Die Ergebnisse der astrophysikalischen Forschung
Die Grundlagen der Kirchhoff sehen Theorie sind die folgenden: Das kon
tinuierliche Spektrum rührt von einem glühenden festen oder flüssigen Körper,
der Photosphäre her. Die Photosphäre ist umgeben von einer Schicht von Me
talldämpfen, deren Temperatur geringer ist als diejenige der Photosphäre selbst,
und durch deren Absorption die dunklen Fraunhofer sehen Linien entstehen.
In der Atmosphäre der Sonne müssen ähnliche Vorgänge wie in der
unsrigen stattfinden; lokale Temperaturerniedrigungen müssen dort wie hier
die Veranlassung zur Bildung von Wolken geben; nur werden die Sonnen
wolken ihrer chemischen Beschaffenheit nach von den unsrigen verschieden
sein. Wenn sich dort eine Wolke gebildet hat, so werden alle über der
selben liegenden Teile der Atmosphäre abgekühlt werden, weil ihnen ein
Teil der Wärmestrahlen, welche der glühende Körper der Sonne ihnen vor
her zusendete, durch die Wolke entzogen wird. Diese Abkühlung wird um
so bedeutender sein, je dichter und größer die Wolke ist, und dabei erheb
licher für diejenigen Punkte, die nahe über der Wolke liegen, als für die
höheren. Eine Folge davon muß sein, daß die Wolke mit beschleunigter
Geschwindigkeit von oben her anwächst und kälter wird. Ihre Temperatur
sinkt unter die Glühhitze; sie wird undurchsichtig und bildet den Kern eines
Sonnenflecks. Aber auch noch in beträchtlicher Höhe über dieser Wolke
findet Temperaturerniedrigung statt; diese kann die Bildung einer zweiten
Wolke bewirken, die weniger dicht ist als jene, weil in der Höhe der ge
ringeren Temperatur wegen die Dichte der vorhandenen Dämpfe kleiner ist
als in der Tiefe. Die zweite teilweise durchsichtige Wolke bildet den Halb
schatten, wenn sie eine hinreichende Ausdehnung gewonnen hat.
Die Beobachtung, daß Fackeln und Flecken sich oft in nächster Nachbar
schaft zeigen, hat nichts Auffallendes; es können gerade die Fackeln zur Bil
dung von Wolken dadurch Veranlassung geben, daß sie Temperaturver
schiedenheiten und infolge davon Strömungen in der Atmosphäre erregen,
durch die Schichten von verschiedener Zusammensetzung und verschiedener
Temperatur in Berührung kommen. Auf der anderen Seite ist es auch denk
bar, daß die Wolken die Bildung von Fackeln begünstigen, indem sie als
schützende Decke die Ausstrahlung der darunter liegenden Teile der Ober
fläche des Sonnenkörpers schwächen und so bewirken, daß die fortwährend
aus dem Innern zuströmende Wärme an dieser Stelle eine Temperatur
erhöhung hervorbringt.
Wenngleich Kirchhoff also schon die Ansicht von der Konstitution der
Photosphäre, die jetzt fast allgemein angenommen ist, ausgesprochen hat,
so hat er sich doch von der viele Jahrhunderte alten Ansicht der Existenz
eines feurig-flüssigen Sonnenballs von der ungefähren Ausdehnung der
scheinbaren Sonnenscheibe nicht frei machen können. Will man einen sol
chen feurig-flüssigen Kern überhaupt als existierend annehmen, so muß
dessen Durchmesser ein wesentlich kleinerer sein. In diesem Punkt ist die
Kirchhoff sehe Theorie als verfehlt zu betrachten; im übrigen bedeutet sie
einen gewaltigen Fortschritt gegenüber den früheren Ansichten.
Die Zöllner sehe Sonnentheorie bewegt sich vollständig auf dem Boden
der Kirchhoff sehen, so daß sie als ein Ausbau derselben zu betrachten ist.
Infolgedessen genügt es, hier das anzuführen, was Zöllner selbst als den
Kernpunkt seiner Anschauungen bezeichnet.