Full text: Astrophysik

V. Die Sonne 
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Die Dispersionstheorie von Julius. Die JuLiussche Dispersionstheorie 
schließt sich an die ScHMiDTsche Erklärung der Sonnenatmosphäre an. Ihre 
Grundlage bildet die anomale Dispersion der Gase, über die auf Seite 81 
das Erforderliche gesagt ist. 
Es ist dort darauf hingewiesen worden, daß die anomale Dispersion in 
einem kontinuierlichen Spektrum sowohl Verbreiterung der Absorptions 
linien wie das Auftreten von Emissionslinien des Gases, das die Anomalie 
hervorgerufen hat, bewirken kann, ohne daß überhaupt eine Absorption oder 
Emission vorliegt. 
Im Spektrum der Sonnenflecken sehen wir nun die Fraunhofer sehen 
Linien teilweise sehr stark verbreitert. Während ein Teil der dunklen Linien 
nahe das gleiche Aussehen zeigt wie im Spektrum der normalen Photo 
sphäre, sind andere Linien fast ganz unsichtbar, und Linien werden schwach 
und breit, welche sonst stark und dünn sind. Vielleicht befinden wir uns 
hier in der Lage des oben angenommenen Beobachters, vielleicht beruht 
die beobachtete Verbreiterung der Fraunhofer sehen Linien nicht auf 
Absorption, sondern auf anomaler Disper 
sion, und das fehlende Licht ist nach 
Stellen hin gebrochen worden, wo wir es 
nicht sehen. Dann müßten wir annehmen, 
daß die Sonnenflecken Stellen sind, an wel 
chen die Dichtigkeit der gasförmigen Atmo 
sphäre von Ort zu Ort stark variiert. Eine 
Solche Dichtigkeitsänderung — Und Zwar fen Sonnenb u e srenzung nach 
zunehmende Dichte von innen nach außen 
— würde sich z. B. ergeben, wenn man die Flecken als Wirbelbewegungen 
in der Sonnenatmosphäre auffaßt oder als stark absteigende Strömungen. 
Die umkehrende Schicht, die Chromosphäre und die Protuberanzen geben 
ein Emissionsspektrum. Obwohl kein Zweifel besteht, daß in der Chromo 
sphäre auch leuchtende Gase vorhanden sind, so wollen wir doch einmal 
versuchen, diese Erscheinung unter der Annahme zu betrachten, daß das 
von uns beobachtete Licht nicht das Eigenlicht der Gase ist, sondern ganz 
oder wenigstens zum größten Teil aus dem weißleuchtenden Sonneninnem 
stammt und durch anomale Dispersion so gebrochen ist, daß wir es außer 
halb des scheinbaren Sonnenrandes sehen. 
In Abb. 157 sei SS die ScHMiDTsche Grenzsphäre; im allgemeinen wird 
ein Lichtstrahl, der bei A nahe tangential aus ihr austritt, infolge der normalen 
Strahlenbrechung auf dem schwach gekrümmten Wege nach rechts zum Be 
obachter gelangen. Ruht nun über A eine glühende Gasmasse, z. B. Natrium 
dampf von ungleicher Dichte, so wird dasjenige Licht, dessen Wellenlänge 
den Spektrallinien des Gases nahe liegt, z. B. das den D-Linien benachbarte, 
infolge der anomalen Dispersion hier eine stärkere Ablenkung erfahren als 
das übrige Licht; es werden also Strahlen von diesen Wellenlängen, die in 
B die kritische Sphäre verlassen haben, und die normalerweise nach rechts 
oben wandern, von h aus längs der punktierten Linie nach rechts gelangen, 
dem Beobachter also sichtbar werden. Dieser wird demnach über dem 
scheinbar durch die kritische Sphäre SS begrenzten Sonnenball ein Gebiet 
sehen, das ein Emissionspektrum zeigt. 
Scheiner-Graff, Astrophysik. 3. Aufl. 
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