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B. Die Ergebnisse der astrophysikalischen Forschung
gibt, wie unter Annahme der Kant-Laplace sehen Weltbildungstheorie über
haupt die hohe Temperatur der Sonne zu erklären ist. Dieselbe entsteht
hiernach durch den Fall der sich verdichtenden Sonnenmaterie nach ihrem
Zentrum hin, und zwar ist die dadurch erzeugte Wärmemenge unabhängig
von der Zeit, die zur Verdichtung gebraucht wird. Die Gesamtmenge der
auf diese Weise bisher freigewordenen Wärme läßt sich mit Hilfe der Po
tentialtheorie berechnen. Hiernach ergibt sich ein Betrag, der, wenn die Ver
dichtung von den Grenzen unseres Sonnensystems bis zur jetzigen Größe
der Sonne plötzlich vor sich gegangen wäre, eine Sonnentemperatur von
28600000° geliefert haben würde. Da zur Verdichtung aber ein Zeitraum
von vielen Millionen oder gar Billionen von Jahren gebraucht worden
ist unter ständigem Verluste durch Ausstrahlung, so ist die Sonnentempe
ratur nur zu verhältnismäßig geringen Höhen angewachsen.
Es ist nun der Frage näher zu treten, ob die zur jetzigen Erhaltung der
Sonnentemperatur notwendige Zusammenziehung der Sonne durch Beob
achtungen direkt nachweisbar ist. Nach Helmholtz wird durch die Zu
sammenziehung der Sonne um V 10000 oder um 0 . 2 " ihres Durchmessers eine
Arbeit erzeugt, die einer Temperaturerhöhung von 2860° gleich ist. Bei
dem ausgerechneten progressiven Verlust würde diese Wärmemenge zum
Ersätze der Ausstrahlung für 1400 Jahre ausreichen. Da man aber vor
läufig kaum in der Lage ist, den Sonnendurchmesser auf 1 " genau zu be
stimmen, so ist, falls nicht eine ganz wesentliche Vermehrung der Messungs
genauigkeit erreicht wird, in 1400 Jahren die nach der Helmholtz sehen
Theorie erforderliche Verminderung des Durchmessers noch nicht zu kon
statieren. Es ist überhaupt zu bedenken, daß eine Verdichtung der Sonnen
materie durchaus nicht in einer entsprechenden Änderung des Durchmessers
der Photosphäre erkennbar zu sein braucht, da es sich ja nicht um eine feste
Oberfläche handelt. Auf alle Fälle muß aber das schließliche Ende der Sonne
die vollständige Abkühlung und das Aufhören merklicher Wärme- und Licht
strahlung sein.
In ähnlicher Weise wird man beim Rückblick in die Vergangenheit nicht
annehmen können, daß die Sonnentemperatur stets eine konstante gewesen
sei. Nach dem Entwicklungsgänge der Fixsterne, wie er durch die Spektral
einteilung gegeben ist, hat wahrscheinlich vor vielen Millionen von Jahren
die Sonne der Spektralklasse F oder gar A angehört. Die Temperatur ihrer
Photosphäre war damals eine höhere und auch der Durchmesser und damit
die strahlende Fläche sind damals größer gewesen, so daß die Bestrahlung
der Erde stärker war als jetzt. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet,
dürfte die Entwicklungsgeschichte der Erde nicht allein von ihren eigenen
Temperaturverhältnissen abhängig gewesen sein, sondern auch von denen
der Sonne.
Auf einige neuere Anschauungen (Russell, Eddington) über das Strah
lungsgleichgewicht der Weltkörper wird noch bei den Fixsternen, von deren
Untersuchung aus diese Theorien ihren Ursprung genommen haben, einzu
gehen sein. An dieser Stelle mag nur erwähnt werden, daß der einstige
Zustand der Weißglut unserer Sonne sicher nicht unmittelbar auf das hypo
thetische Nebelstadium gefolgt ist. Wahrscheinlich ging ihm eine aufsteigende
Entwicklung von einem roten Stern gewaltiger Dimensionen voraus, so daß