244
B. Die Ergebnisse der astrophysikalischen Forschung
die Anhänger der materiellen Sonnentheorien; die anderen erblicken in allem
nur optische Täuschungen. Es hat sich bisher noch keine Autorität gefunden,
der es möglich gewesen wäre, eine vermittelnde Theorie aufzustellen oder
eine derartig klar bewiesene Anschauung zu vertreten, daß ihr ausnahmslos
alles huldigte; es ist für absehbare Zeit auch gar keine Hoffnung in dieser
Beziehung zu hegen. So bleibt auf diesem Gebiete alles subjektiv, und wenn
im folgenden eine kurze umfassende Schlußdarstellung über die Physik der
Sonne gegeben wird, so kann das auch nichts anderes sein, als eine subjek
tive Meinung, die aber wohl in den meisten Punkten sich den Ansichten der
heutigen Sonnenphysiker anschließt.
1. Die Sonne ist als ein Gasball von hoher Temperatur zu betrachten.
Sowohl die Temperatur als auch der Druck und die Dichtigkeit der Gase
nehmen von innen nach außen ab. Die Temperatur der äußeren Teile ist
deshalb eine geringere, weil sie ihre Wärme durch Ausstrahlung in den
leeren Raum verlieren; von innen erfolgt ein Ersatz dieser Wärme im wesent
lichen durch Konvektionsströme. Eine Vorstellung über die Verhältnisse im
Innern ist unmöglich, da einerseits die hohe Temperatur bestrebt ist, die
Gase auszudehnen, andererseits der starke Druck einen hohen Dichtigkeits
grad der Gase herbeiführt. Eine Verflüssigung der Gase durch den starken
Druck ist unwahrscheinlich, da hierzu die Temperatur zu hoch ist; infolge
der großen Dichtigkeit werden aber die allgemeinen Eigenschaften der Gase
gar nicht mit denjenigen vergleichbar sein, die wir ihnen im allgemeinen zu
schreiben.
Die Gesetze, nach denen Druck und Temperatur nach außen abnehmen,
kennen wir nicht, auch nicht die Gesetze, nach denen dieser Gasball rotiert,
doch ist anzunehmen, daß die Rotation aller Schichten um nahe dieselbe
Achse erfolgt. Über die Verteilung der verschiedenen chemischen Elemente
ist ebenfalls nichts bekannt; wahrscheinlich werden jedoch die schwereren
Gase im Innern relativ stärker vertreten sein als in den äußeren Schichten.
Die sehr leichten Gase Wasserstoff, Helium und Koronium (letzteres ist viel
leicht als eine Mischung verschiedener unbekannter Elemente aufzufassen)
befinden sich in den äußeren, von uns direkt untersuchbaren Schichten in
ganz überwiegender Menge; die anderen, durch die Spektralanalyse fest
stellbaren Elemente können nur als Beimischungen von sehr geringer Menge
betrachtet werden; in den äußersten Schichten fehlen sie überhaupt gänzlich.
In irgendeiner, in einer gewissen Entfernung vom Sonnenmittelpunkt
befindlichen äußeren Schicht ist die Temperatur auf einen solchen Punkt ge
sunken, daß irgendein Element, wahrscheinlich eines der am schwersten
schmelzbaren, sich zu kleinen Tröpfchen kondensiert hat, die nun als eine
konzentrische Wolkenschicht in dem Gasball schweben. Das Element oder
die Elemente, welche hieran teilnehmen, sind unbekannt; ferner ist über
haupt alles unbekannt, was sich in den tieferen Gebieten dieser Schicht ab
spielt. Bekannt ist nur dasjenige, was in den oberen Teilen dieser Schicht
oder oberhalb derselben vor sich geht. Diese Wolkenschicht ist die Photo
sphäre, die scheinbare Oberfläche und Begrenzung der Sonne. Ihre mittlere
effektive von der wirklichen wahrscheinlich wenig abweichende Temperatur
ist etwa zu 6500° anzunehmen, also rund 500° höher, als es die direkten
Strahlungsmessungen auf der Erde ergeben.