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B. Die Ergebnisse der astrophysikalischen Forschung
flachen Perlen dicht besetzt sind, wurde schon erwähnt. Damit ist die ältere
Auffassung, die in den Mareebenen ehemaligen Meeresboden erblicken wollte,
ohne weiteres erledigt. Auch sonst ist auf dem Monde nicht an einer ein
zigen Stelle die Spur einer Erosionswirkung, die doch im wesentlichen die
irdischen Küstenformen bestimmt, nachzuweisen gewesen.
Nach den Kratern sind die merkwürdigsten und auf der Erde eben
falls nicht vorkommenden Oberflächengebilde die von den großen Kratern
ausgehenden hellen Strahlensysteme, deren wesentliche Eigentümlichkeit
darin besteht, daß sie die Oberflächenform nicht verändert haben, sondern
nur das Reflexionsvermögen. Nach Nasmyth und Carpenter sollen sie durch
Zersprengung der festen Mondrinde infolge ähnlicher Kräfte entstanden sein
wie bei einer durch inneren Druck gesprengten Glaskugel. Das ist aber wohl
nur eine rein äußerliche Ähnlichkeit; denn die aus den Rissen austretende
innere flüssige Masse müßte doch wenigstens stellenweise Erhöhungen ge
bildet haben, die auf dem Monde nicht vorhanden sind. Loewy und Puiseux
nehmen an, daß diese Strahlen durch Eruptionen von heller Asche in den
betreffenden Kratern verursacht worden sind, zu einer Zeit, als noch eine
merkliche Mondatmosphäre und in ihr Strömungen, bzw. Winde vorhanden
waren. Jeder Strahl entspräche einer Eruption, bei welcher eine bestimmte
Windrichtung vorgeherrscht habe. Diese Hypothese hat viel Bestechendes
für sich, entspricht jedoch nicht allen Eigentümlichkeiten der Strahlenbildung.
Sie läßt es ganz unerklärt, weshalb in einzelnen Fällen, z. B. bei Tycho, die
Strahlen erst in einem sehr merklichen Abstand vom Krater beginnen. Bei
irdischen Vulkanausbrüchen findet man, daß der Aschenregen sich unter all
mählicher seitlicher Ausbreitung verliert, beim Monde werden die Strahlen
immer feiner und spitzer. Eine einigermaßen befriedigende Erklärung der
hellen Mondstreifen besitzen wir also noch nicht.
Die Rillen hat man verhältnismäßig einfach zu erklären versucht. Man
betrachtete sie als natürliche Erstarrungserscheinungen der Mondoberfläche,
ähnlich, wie wir sie auf der Erde im Boden ausgetrockneter Tümpel, Lehm
gruben usw. zu sehen gewohnt sind. In allen diesen Fällen entsteht aber
kein Riß, sondern ein dichtes Netzwerk feiner Sprünge, da das Material nicht
kohärent genug ist. Die Rillen auf dem Monde sind aber oft kilometerbreit
und meist isoliert; von einem Netzwerk ist meist keine Rede, auch ziehen
sie durch Berge und Täler. Bei genauerer Untersuchung ihrer Lage fällt es
auf, daß sie am Rande der großen Ebenen besonders häufig Vorkommen und
dann dem Rand der Meere parallel verlaufen. Ihre Erklärung als Bruch
spalten der Mondrinde, entstanden durch eine Senkung der Maregebiete,
dürfte wohl der Wahrheit am nächsten kommen. Daß dabei einzelne durch
Rillen aufgerissene Schollen der Mondrinde nicht einsanken, sondern um
gekehrt, in großartigen Verwerfungen emporgetrieben wurden, beweisen die
langen Steilwände bei Cauchy und Thebit (Abb. 172).
Da die Entwicklung der Mondoberfläche allem Anschein nach einen rein
plutonischen Charakter hatte, läßt sich auch für die seltsamen geradlinigen
Quertäler, deren größtes sich in den Alpen vorfindet, eine plausible Erklärung
geben. Nach Ansicht von Loewy und Puiseux haben sich auf der ursprüng
lich flüssigen Mondoberfläche Schollen aus erstarrter Substanz gebildet, die,
von Strömungen bewegt, häufig zusammengestoßen sind, wie die Eisschollen