dies mit um so größerer Berechtigung geschehen, als weder die hervorragen
den photographischen Aufnahmen auf dem Lowell- und Mount Wilson-
Observatorium aus den Jahren 1909 und 1911 (Abb. 176) noch die neueren
von Antoniadi an einem 80 cm-, von Graff an einem 60 cm-Refraktor erhal
tenen systematischen Zeichnungen des Planeten auch nur die Spur einer
geometrischen Struktur auf seiner Oberfläche aufweisen. In dieser Beziehung
sind hin und wieder auf Jupiter weit regelmäßigere Gebilde zu beobachten
als auf dem Mars.
Deutung der Marsgebilde. Bei den Versuchen, die auf der Marsober
fläche beobachteten Ercheinungen zu erklären, dürfen vor allem die all
gemeinen Bedingungen, die auf Mars maßgebend sind, nicht außer acht ge
lassen werden, also in erster Linie das höhere Alter des Mars, das ihn kosmo-
gonisch vielleicht zwischen Erde und Mond stellt. Dazu tritt die beträchtlich
geringere Kraft der Sonnenstrahlung.
Was nun zunächst die Natur der hellen und der dunklen Partien angeht,
so hat man von jeher die rötlichen Stellen für Kontinente, die grauen für Meere
gehalten. Es tritt lediglich die Frage auf, wie, von außen gesehen, ein irdisches
Meer erscheinen wird, ob heller oder dunkler als das feste Land. Nach Ana
logie der von sehr hohen Punkten aus gesehenen Seen oder des Meeres hat
man eine dunklere allgemeine Färbung zu erwarten; andererseits aber müßte
doch auch zuweilen ein Sonnenreflex zu
sehen sein, also bei der geringen Albedo
des Mars ein außerordentlich heller Punkt;
etwas Derartiges ist aber bisher niemals
beobachtet worden.
Wie man sieht, ist also die bisher
befolgte Trennung der Marsgebiete nach
Kontinenten und Meeren durchaus noch
nicht spruchreif. Da anscheinend unter
den besten atmosphärischen Verhältnissen
und bei Anwendung starker Vergrößerun
gen nur die grauen Gebiete scharfe Um
risse und gut definierte Einzelheiten wie
Flecke, Streifen usw. zeigen, während auf
den ockerfarbenen Flächen alles umso
verwaschener erscheint, je bessere optische
Hilfsmittel angewendet werden, so läßt
sich sehr wohl der Standpunkt vertreten,
daß das Auge überhaupt nur in den sog.
Maregebieten bis zur Planetenoberfläche
vordringt, an der Stelle der sog. Konti
nente aber durch einen rötlichen Schleier
daran gehindert wird (Abb. 177). Ob es sich dabei um Nebel, Dunst oder
eine sehr beständige leichte Wolkendecke handelt, mag dahingestellt sein.
Wiederholt, z. B. von Scheiner, ist die Möglichkeit einer Marseiszeit in der
Gegenwart erörtert worden, und damit wäre eine völlig abweichende Erklärung
der Oberflächeneinzelheiten gegeben. Die Sonnenstrahlung auf Mars macht
weniger als die Hälfte derjenigen auf der Erde aus. Der Strahlungseffekt der
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Abb. 177. Schattierungen im Mare
Acidalium Anfang Mai 1920.
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