Full text: Astrophysik

VI. Die Planeten, Monde und Kometen 
289 
um den Hauptkörper beschreiben. Eine wesentliche Stütze erhält diese An 
nahme durch den Umstand, daß der innere und äußere Teil des Ringes 
durchscheinend ist, ferner durch die Lage der Ringtrennungen, die sich ge 
rade da befinden, wo die periodischen Störungen der kleinen Monde durch 
die großen Trabanten ein Maximum erreichen, so daß diejenigen Körperchen, 
deren Bahn zufällig in diesen Entfernungen liegt, sehr rasch in andere Bahnen 
gelenkt werden. 
Besteht nun der Ring aus solchen kleinen Teilchen, so muß die Berech 
nung der reflektierten Helligkeit unter Berücksichtigung der Beleuchtung der 
einzelnen Körper erfolgen, was eine 
schwierige und umständliche Arbeit dar 
stellt. Diese Aufgabe ist von Seeliger 
gelöst worden; sie führt schließlich zu 
einer sehr einfachen Form, die unab 
hängig von dem zugrunde gelegten Be 
leuchtungsgesetze ist und durch den S. 287 
erwähnten empirischen Ausdruck von 
Müller vollkommen dargestellt wird. 
Besonders interessante spektrographi- 
sche Beobachtungen an Saturn haben es 
ermöglicht, die Rotationsgeschwindig 
keiten der verschiedenen Teile des 
Ringes und der Kugel zu bestimmen. 
Stellt man den Spalt des Spektrographen parallel zur Äquatorrichtung, 
so muß eine Linie des Saturnspektrums, soweit sie der Kugel entspricht, 
wegen der Rotation schräg stehen, nämlich am Westrande nach Rot, am Ost 
rande nach Violett verschoben sein (Abb. 183). Das gleiche gilt vom Ring, falls 
dieser an der Rotation teilnimmt. Wäre er starr, so würden die äußeren 
Teile eine größere lineare Geschwindigkeit besitzen, und die äußeren Enden 
müßten am stärksten verschoben sein. Beschreiben aber die einzelnen Teile 
des Ringes unabhängige Bahnen, so müssen nach dem III. Kepler sehen Ge 
setz die linearen Geschwindigkeiten und entsprechend die Linienverschie 
bungen an den inneren Kanten am stärksten sein. Zu diesem Ergebnis 
führen in der Tat in guter Übereinstimmung die spektrographischen Auf 
nahmen von Keeler, Deslandres und Belopolski, womit neben der photo 
metrischen Lösung (s. oben) der 
sicherste Beweis für die Zu 
sammensetzung der Saturn 
ringe aus Einzelteilen gelie 
fert ist. Die kleine nebenste 
hende Tabelle veranschaulicht 
das Mittel der beobachteten 
und die von der Rechnung geforderten Zahlenwerte. Daraus geht hervor, 
daß der innere Rand des Ringsystems in 7.5 h , der äußere in 13.8 h einen 
vollständigen Umlauf vollenden. 
Wenn noch ein Nachweis der meteorischen Ringkonstitution fehlte, so 
ist er dadurch erbracht worden, daß um die Zeit, in der Sonne und Erde 
sich auf verschiedenen Seiten der Ebene des Ringes befinden, dieser nicht 
Scheiner-Graff, Astrophysik. 3. Aufl. 19 
Teil des Saturn- 
Bewegung in l s 
Systems 
Beob. 
Berechn. 
Äquator d. Saturn 
9.7 km 
10.3 km 
RingB, innerer Rand 
20.4 „ 
21.0 „ 
„ A, äußerer „ 
15.8 „ 
17.1 „ 
Abb. 183. Entstehung der Linienver 
schiebungen (Dopplereffekt) im Spek 
trum des Saturnsystems.
	        
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