VII. Die Fixsterne, Nebelflecke und Sternhaufen
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Wenn auch bei den meisten der spektroskopischen Doppelsterne die Bah
nen noch gänzlich unbekannt sind, so ist doch die Entdeckung so zahlreicher
enger Doppelsterne sehr merkwürdig. Von den auf der Licksternwarte unter
suchten Sternen hat sich z. B. % als spektroskopische Doppelsterne mit kur
zer Periode ergeben, für die Sterne der Spektralklasse B wächst dieser Pro
zentsatz sogar auf V 3 . Dabei sind bisher nur solche Systeme entdeckt, deren
Perioden relativ kurz sind, und bei denen die Veränderung der Geschwindig
keit beträchtlich ist. Die kleinste noch erkannte, aber bereits sehr unsichere
Geschwindigkeitsänderung, diejenige von «Scorpii, beträgt 4 km; würde sie
statt dessen etwa nur 1 km betragen, so würde die Entdeckung kaum mög
lich gewesen sein. Das führt im Verein mit den visuellen Erfahrungen zu
dem Schluß, daß die Zahl der engen Doppelsterne eine ganz gewaltige sein
muß. Ja, wir werden wohl schließlich der Tatsache gegenüberstehen, daß
Sterne ohne helle oder dunkle Begleiter, also etwa wie unsere Sonne, sich in
geringerer Zahl im Raum vorfinden als doppelte oder mehrfache Systeme.
Diese rein statistische Feststellung ist durchaus nicht das bedeutendste Er
gebnis, das uns die spektroskopischen Doppelsterne geliefert haben. Viel
wichtiger sind die Schlüsse, die sie betr. der Größe, der Masse und der Dichte
der Sterne zu ziehen gestatten. In welcher Weise dies geschieht, soll an dem
Beispiel von ß Persei gezeigt werden.
Das Algolsystem. Einer der ersten Sterne, bei denen man eine wechselnde
Radialbewegung festgestellt hat, ist der Veränderliche Algol im Perseus. Die
Periode des Lichtwechsels beträgt 2 d 20 h 49 m und zeigt nur sehr geringe, allmäh
lich verlaufende Änderungen. Der eigentliche Lichtwechsel umfaßt nur 9 h 45 m ,
innerhalb welcher Zeit die Helligkeit von der Größe 2.2 bis 3.4 sinkt und wieder
zum vollen Licht ansteigt (Abb. 205). Wegen der großen Regelmäßigkeit der Er
scheinung hatte man schon lange vermutet, daß die Lichtabnahme auf die
Verfinsterung durch einen nahen, dunklen Begleiter zurückzuführen sei, der
in der oben angegebenen Zeit von 2 d 20 h 49 m den Hauptstern umkreise.
Die systematisch zu den Zeiten der Quadraturen des Begleiters in Potsdam
aufgenommenen Spektrogramme Algols, bestätigten 1889 die Voraussetzung
in so eindeutiger Weise, daß ein Zweifel an der Doppelsternnatur Algols
nicht mehr möglich war. Ist diese Feststellung aber einmal erfolgt, so ergibt'sich
schon unter Annahme einer Kreisbahn eine
ganze Anzahl von Elementen des Doppel
sternsystems in verhältnismäßig sehr ein
facher Weise.
Da der Lichtwechsel auf eine Verfin
sterung zurückzuführen ist, so ist es nach
Umwandlung der extremen Größen in In
tensitäten zunächst möglich, die Bahn
neigung und die relativen Halbmesser r
und r t der beiden Weltkörper, des hellen
und des dunklen, abzuleiten, ferner den
Bruchteil der Bahn, der während der Ab-,
und Zunahme des Lichtes vor unseren
Augen zurückgelegt wird. Durch die rela
tiven Dimensionen der beiden Sterne und
Sc h ein.er-Graff, Astrophysik. 3. Aufl.
Abb. 205. Bedeckungskurve des Ver
änderlichen Algol im Perseus.
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