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B. Die Ergebnisse der astrophysikalischen Forschung
man in dem genannten Bereich die Spektraltypen nach der Stärke der Wasser
stoffabsorptionen weit genauer gruppieren kann, als durch bloße Betrach
tung des Gesamtspektrums. Diese sog. gemessenen Spektraltypen haben
mit den geschätzten nur noch die eine Eigentümlichkeit, auf der ihre Ab
leitung beruht, gemeinsam und sind mit den sonst üblichen Angaben nicht
ohne weiteres zu vergleichen. Zwecks Vermeidung einer Verwirrung sind
sie in der Übersicht auf S. 351 fortgelassen worden.
Die Tabelle enthält nur einigermaßen sichere spektroskopische Parallaxen,
wie sie vorläufig nur für gelbe oder rötliche Sterne erreichbar sind. Die ab
soluten Größen zeigen von neuem (S. 346), daß die helleren Sterne der
Klassen G bis M in der Umgebung der Sonne fast ausnahmslos Giganten
sind, eine Tatsache, die für unsere Vorstellungen über den Aufbau des die
Sonne umgebenden Sternhaufens von großer Bedeutung ist.
Die hier berührten Arbeiten befinden sich zweifellos erst im Anfangs
stadium. Vermutlich wird neben der Linienuntersuchung auch eine genauere
Farbenindexbestimmung einmal eine Trennung der Sterne nach Zwergen
und Giganten gestatten, wenigstens an den beiden Enden der Spektralreihe.
Die Untersuchungen sind hier noch nicht abgeschlossen, doch steht es be
reits fest, daß die Giganten G—M ein wenig tiefer gefärbt sind als die
Zwerge, während die absolut helleren B- und A-Sterne weißer sind als die
absolut schwächeren Individuen der gleichen Spektralklasse.
20. Die physische Beschaffenheit der Sterne.
Wenngleich die physikalische Deutung der Sternspektra in großen Zügen
durch die Betrachtung der Vorgänge auf unserem nächsten Fixstern, der
Sonne, gegeben ist, so fallen doch, von den Sonderklassen abgesehen, bereits
in der Normalreihe der Sternspektra verschiedene Eigentümlichkeiten auf,
für die nur zum Teil analoge Erscheinungen bei der Sonne vorliegen, und die
noch im einzelnen besprochen werden müssen. Hierher gehören außer Ab
weichungen in der Zahl und Folge der Linien auch alle diejenigen Eigen
schaften, die mit den Druckverhältnissen, der Temperatur und der Dichte der
Gestirne im Zusammenhänge stehen.
Die normalen Sternspektra. Etwa 98 oder 99% aller bisher untersuchten
Fixsterne gehören der normalen Spektralskala B bis M an, mit einer aus
gesprochenen Häufung der Objekte zwischen A und G. Ein Bild von den
Prozentzahlen, die auf jede einzelne Klasse entfallen, wird sich erst dann
geben lassen, wenn die Gesamtergebnisse der neuen amerikanischen Draper-
durchmusterung vorliegen. Der erste DRAPERkatalog reicht nur bis zur
6. Größe; durch Mitnahme schwächerer Sterne wird vermutlich das Über
wiegen der weißen Objekte am Himmel nicht so deutlich hervortreten, als
es nach den bisherigen Untersuchungen (S. 323) der Fall war.
Betrachtet man die Spektra der Normalklassen etwas genauer, so wird man
in ihnen eine kontinuierliche Folge erkennen, von den einfachsten bis zu
den kompliziertesten Anordnungen der Linien. Das geht aus der ausführ
lichen Beschreibung der Sternspektra (S. 321 ff.) deutlich hervor, so daß wir
uns hier auf die Hervorhebung und Deutung einiger Besonderheiten be
schränken können.