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VII. Die Fixsterne, Nebelflecke und Sternhaufen
frühzeitig in der Spektral- und Farbenfolge der Fixsterne im wesentlichen
eine Abkühlungs-, d. h. eine Temperaturskala vermuten, doch war die An
gabe auch nur der Größenordnung für die einzelnen Sterntemperaturen un
möglich, solange die gesetzmäßige Beziehung zwischen der Temperatur
eines Körpers und der ihr entsprechenden Strahlung noch verborgen war.
Die Erkenntnis dieses Strahlungsgesetzes oder der sog. KiRCHHOFFschen
Funktion ist eine Errungenschaft der neueren Zeit (S. 71 ff.). Nachdem es
einmal gelungen war, durch ihre Anwendung auf die Sonne deren effektive
Temperatur zu ermitteln, war auch die Bestimmung von Sterntemperaturen
in greifbare Nähe gerückt.
Durch die KiRCHHOFFSche Funktion bzw. die sog. PLANCKSchen Energie
gleichung ist für einen strahlenden schwarzen Körper die Beziehung zwischen
der Helligkeit einer bestimmten Wellenlänge und der Temperatur eindeutig
festgelegt. Wenn wir also den Photosphären der Sterne die Eigenschaft des
schwarzen Körpers beilegen dürfen, so wird man aus dieser Beziehung durch
Vergleichung mit Messungen am schwarzen Körper unmittelbar die richtigen
Sterntemperaturen erhalten; obwohl diese Voraussetzung, wie wir gesehen
haben, wahrscheinlich vollauf zutrifft, sollen die abgeleiteten Temperaturen
wie bei der Sonne nur als sog. effektive bezeichnet werden.
Die Messung der relativen Helligkeiten der einzelnen Spektralgebiete
geschieht mit Hilfe des Spektralphotometers, doch ist dieses mit großer Vor
sicht zu benutzen. Bei den Sternen der Klassen B und A, in deren Spek
tren nur wenige Absorptionslinien vorhanden sind, wird man ohne weiteres
richtige Werte erhalten, nicht aber bei denen der Klasse F, G, K oder gar M.
Wie wir kennen gelernt haben, nimmt hier die Zahl der Linien nach dem
Violett hin außerordentlich zu, so daß die relative Schwäche der blauen und
violetten Spektralgebiete in diesen Sternen durchaus nicht allein auf niedrige
Temperatur zurückzuführen ist. Bei den M-Sternen fehlt das Violett von A 4300
an vollständig, und zwar zweifellos durch Absorption und nicht etwa, weil
die Temperatur so niedrig ist, daß überhaupt violettes Licht nicht ausge
sendet wird.
Durch entsprechende Auswahl von solchen linienarmen Gebieten haben
um 1910 Wilsing und Scheiner den ersten Temperaturkatalog von 109
hellen Sternen liefern können, dem dann 1919 ein weiterer von Wilsing und
Münch mit 199 Objekten folgte. Die Messungen geschahen auf visuellem
Wege mit dem großen Refraktor des Potsdamer Observatoriums unter Be
nutzung eines CROVASchen Spektralphotometers mit Polarisationseinrichtung.
Als Vergleichslichtquelle diente eine elektrische Lampe, deren Strahlung an
die Energiekurve des schwarzen Körpers angeschlossen war.
Unabhängig hiervon hat Rosenberg die gleiche Aufgabe auf photogra
phischem Wege zu lösen versucht. Die Übereinstimmung zwischen den vi
suell und photographisch ermittelten Temperaturen war ursprünglich recht
mangelhaft, besonders bei den Sternen der rötlichen Typen, ein Zeichen
dafür, wie schwierig es ist, die Verfälschungen, die die Energiekurve eines
Spektrums durch die Linien und Bänder erleidet, zu beseitigen.
In der kleinen Übersicht (S. 362) sind die Potsdamer und TübingerWerte,letz
tere in der Neureduktion von Wilsing, gruppenweise nach der Spektralfolge
zusammengestellt. Als Konstante der PLANCKSchen Gleichung sind 14350°,