VII. Die Fixsterne, Nebelflecke und Sternhaufen
379
Einen gewissen Ausweg bietet hier zunächst die Russell sehe Theorie,
die den Spektraltypus im wesentlichen als Funktion der Temperatur des
betr. Sterns auffaßt. Wenn es auch von vornherein sehr wahrscheinlich war,
daß der Wechsel der Helligkeit und der Spektralklasse bei den Novae mit
Temperaturänderungen Hand in Hand ging, so war doch eine Bestätigung
der Vermutung von großem Wert. Gelegenheit dazu bot erst die Nova Aqui-
lae (1918), die bei ihrer großen Helligkeit die spektralphotometrischen Mes
sungen sehr erleichterte. Aus der Energieverteilung im Spektrum hat Wil-
sing eine Reihe von effektiven Tempera
turen für die Nova abgeleitet, die in der
nebenstehenden Tabelle aufgezählt sind.
Vergleicht man die Werte mit den für die
normalen Spektralklassen abgeleiteten Zah
len (S. 262), so erkennt man leicht, wie hier
tatsächlich effektive Temperatur und Spek
traltypus einen zwangsläufigen Gang zeigen,
wenn auch dieser nicht so ausgeprägt er
scheint, wie in den früher abgeleiteten Mit
telwerten. Charakteristisch für die Tage hoher
Temperaturen war wieder das Auftreten von scharfen Funkenlinien des Titans,
Eisens und anderer Elemente.
Wenn auf diese Weise die allgemeinen Änderungen eines Novaspektrums
auf wechselnde Temperatureinflüsse zurückgeführt sind, so fehlt es für die
beobachteten enormen Linienverschiebungen zunächst an einer einwandfreien
physikalischen Erklärung.
Bereits bei dem Spektrum der Nova Aurigae (1891) und der Nova Aqui-
lae (1899) war das gleichzeitige Auftreten von Absorptions- und Emissions
linien nebeneinander aufgefallen. Es kamen also hier etwa vom Erreichen
der höchsten Lichtentwicklung an den Linien ein und desselben Elementes
merklich verschiedene Wellenlängen zu, und zwar den hellen Komponenten
die größeren, den dunklen die kleineren. Daß die ausschließliche Erklärung
durch Bewegungsvorgänge versagt, erkennt man schon daraus, daß die Ver
schiebungen sich bei allen Neuen Sternen als gleichartig erwiesen haben,
ferner daran, daß ähnlich wie bei einzelnen Heliumsternen (S. 353) die Kal
ziumlinien der Nova Persei nur eine sehr geringe Verschiebung zeigten, die
auf eine Radialbewegung von kaum + 18 km schließen ließ. Dieser Wert
dürfte tatsächlich den unverfälschten DoppLEReffekt für die Nova darstellen,
während die anderen auf den ersten Blick sichtbaren Verschiebungen und
Verdoppelungen der Linien in noch ungeklärten physischen Vorgängen auf
dem Stern ihren Grund haben mögen. Wie wenig man berechtigt ist, aus
ihnen Radialbewegungen in dem gewohnten Sinne abzuleiten, hat besonders
die Nova Aquilae (1918) gezeigt, bei der die Wellenlängenänderung der
hellen Wasserstofflinien zeitweilig einer Ortsänderung von 1400 bis 2500 km
in der Sekunde entsprochen hätte.
Es ist bei Gelegenheit der Nova Persei die Frage aufgeworfen worden,
ob sich für die Änderung der Wellenlängen im Spektrum nicht auch ein
physikalischer Grund finden ließe, ohne Hinzunahme mechanischer Bewegun
gen. Die Lösung dieser Aufgabe ist dann auch mit großer Energie aufge
1918
Eff. Temp.
Sp.
Gr.
Juni 10
1 9000°
A-B
0.4 m
„ 11
8800
B
0.5
„ 12
6600
B
0.9
„ 13
5700
F
1.1
„ 14
6800
F
1.4
„ 18
7800
B
2.0
„ 19
10000
B:
2.3
„ 30
7100
A
3.3
Juli 4
11100
B-P
3.0