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B. Die Ergebnisse der astrophysikalischen Forschung
Millionen von Jahren wären hierzu erforderlich. Es ist aber gerade das
Charakteristische in der Erscheinung der Neuen Sterne, daß sie nach plötz
lichem Aufflammen in ganz kurzer Zeit, in Wochen, Monaten oder wenigen
Jahren zu unscheinbaren Objekten oder bis zur völligen Unsichtbarkeit ver
blassen. Gerade der Umstand der raschen Helligkeitsabnahme deutet mit
Bestimmtheit darauf hin, daß die Ereignisse, die einen bisher dunklen oder
sehr schwachen Stern zum Aufleuchten veranlassen, nur Vorgänge in den
äußersten Schichten des Gestirns sein können, ohne wesentliche Beeinflus
sung des Innern, ähnlich dem Aufleuchten der irdischen Meteore.
Dieser Vorstellung versucht eine Hypothese von Lohse Rechnung zu
tragen. Hiernach braucht die Abkühlung des Sternes nur so weit vorgeschritten
zu sein, daß er mit einer dichten und kühlen, stark absorbierenden Atmo
sphäre umgeben ist. Bei einer gewissen Stufe der Abkühlung kann dann
eine plötzliche Verbindung einzelner Elemente stattfinden, und die hierbei
frei werdende Wärme verursacht das neue Aufleuchten des Himmelskörpers.
Auf den ersten Blick mag diese Annahme verständlich erscheinen, und
doch muß bemerkt werden, daß in ihr große Schwierigkeiten enthalten sind.
Die Heftigkeit der Vorgänge auf einem Stern bei seinem Aufleuchten deutet
darauf hin, daß sie, wenn sie auch nur oberflächlich stattfinden, immerhin
beträchtliche Massen betreffen, daß also die chemische Vereinigung inner
halb großer Gebiete plötzlich erfolgen müßte. Aber selbst wenn man sich
mit diesen hypothetischen atmosphärischen Explosionen abfindet, erscheint
es nicht einleuchtend, durch welche besonderen Ursachen gerade bei einzel
nen Milchstraßensternen die Bedingungen hierfür gegeben sein sollten. Gar
völlig ausgeschlossen sind sie bei den Neuen Sternen, die, wie z. B. die
Nova Persei (1901) und die Nova Aquilae (1918) schon vorher nachweislich
als selbstleuchtende Körper am Himmel existierten.
Die gegenwärtig am meisten beachtete Erklärung der Neuen Sterne hat
Seeliger gegeben. Er nimmt ebenfalls das Zusammentreffen zweier Himmels
körper an, von denen jedoch der eine kein Stern, sondern ein Nebel sein
soll. Beim Eintritt eines dunklen Körpers in einen Nebel würde sofort eine
oberflächliche Erhitzung eintreten, infolge deren sich Verdampfungsprodukte
um den Körper bilden, sich von ihm ablösen und sehr schnell diejenige
Geschwindigkeit annehmen, welche die nächsten Teile des Nebels besitzen.
Der Stern gibt dann das kontinuierliche Spektrum mit dunklen Linien, die
leuchtenden abgelösten Gasteile die hellen Linien. Solange der Stern in
der Wolke verweilt, werden die Erscheinungen ziemlich unverändert bleiben,
sobald er sie aber verlassen hat, wird die Helligkeit sehr schnell abnehmen,
ganz ähnlich, wie dies in der Erdatmosphäre bei großen Meteorerscheinun
gen beobachtet wird. Durch die Entdeckung der Nebel in der Umgebung
der Nova Persei hat die Seeliger sehe Annahme trotz mancher Rätsel, die
auch dann noch in einer jeden Novaerscheinung verbleiben, sehr an Boden
gewonnen, und man darf sie wohl heute als die wahrscheinlichste ansehen.
Die bei der Nova Persei beobachteten Bewegungen der Nebelmassen kön
nen nach dieser Theorie verschieden erklärt werden. Entweder haben sich
materielle Teilchen mechanisch mit den angegebenen, der Lichtgeschwindig
keit nahe kommenden Geschwindigkeiten wirklich fortbewegt, oder es liegen
Strahlungen vor, die von der Nova im Aufflammungsmoment ausgegangen