Full text: Astrophysik

gg A. Die astrophysikalischen Forschungsmethoden 
Auch durch eine Vermehrung der Gasschichtendicke werden die Linien 
breiter und verwaschener, doch läßt sich der Grund hierfür ohne mathe 
matische Behandlung nicht ableiten, auch fehlt hier die Analogie bei den 
Schallwellen. 
Sind die Verhältnisse in einem glühenden Gase so, daß es helle, breite 
und verwaschene Linien gibt, so werden natürlich auch, wenn weißes Licht 
von einem heißeren Körper durch dieses Gas hindurchgeht, die entstehenden 
schwarzen Linien breit und verwaschen, und wir könnten nunmehr einen 
vierten, allerdings weit weniger scharfen Satz der Spektralanalyse formu 
lieren: 
4. Sind in einem Spektrum die hellen oder die dunklen Linien breit und 
verwaschen, so folgt hieraus, daß das betreffende Gas entweder sich in sehr 
hoher Temperatur befindet, oder daß es unter starkem Drucke steht, oder 
daß es in einer ungewöhnlich dicken Schicht vorkommt, oder schließlich, daß 
mehrere dieser Ursachen gleichzeitig vorliegen. 
Es wird von diesen Sätzen in den folgenden Kapiteln ausgiebiger Ge 
brauch gemacht werden; sie stellen die Gesamtlehre der Spektralanalyse dar, 
soweit sie zur Ermittelung des chemisch-physikalischen Zustandes der Himmels 
körper verwendet wird. 
Folgerungen aus dem KiRCHHOFFSchen Satz. Die zum Verständnisse 
des KiRCHHOFFSchen Satzes notwendigen Grundbegriffe sind bereits im ersten 
Abschnitt klargestellt worden. Es sollen für diese Grundbegriffe hier nur 
noch die folgenden Bezeichnungen eingeführt werden: 
Unter der Temperatur t ist stets die auf den absoluten Nullpunkt be 
zogene zu verstehen, die um 273° niedriger liegt als die Angabe des Celsius- 
thermometers. Eis schmilzt demnach bei t = 273°, Wasser siedet bei t = 373°. 
Die Länge der Lichtwelle wird allgemein mit X bezeichnet. Soll sie für 
eine bestimmte Temperatur angegeben sein, so wird ein t angehängt. Das 
Emissionsvermögen eines Körpers soll mit E, sein Absorptionsvermögen 
mit A bezeichnet werden. Der absolut schwarze Körper ist durch das größte 
überhaupt mögliche Emissions- und Absorptionsvermögen definiert. 
Es ist sehr wichtig, zu beachten, daß der KiRCHHOFFSche Satz mit allen 
seinen Folgerungen nur für reine Temperaturstrahlung gilt. Unter Tempe- 
raturstrahlung aber ist eine solche Strahlung zu verstehen, deren Intensität, 
abgesehen vom Emissionsvermögen, allein von der Temperatur des strahlen 
den Körpers abhängt. Bekanntlich gibt es eine ganze Reihe von Strahlungs 
arten, die diese Bedingung nicht erfüllen, z. B. die Strahlung, die bei Ein 
wirkung der Röntgenstrahlen von einem Bariumplatincyanürschirm aus 
gesendet wird, oder das Nachleuchten der Schwefelverbindungen von Kal 
zium, Erscheinungen, die man als Lumineszenzstrahlungen der Temperatur 
strahlung gegenüberstellt. Alle diese Strahlungsarten müssen bei unseren 
Betrachtungen ausgeschlossen werden. 
Der KiRCHHOFFSche Satz handelt nur von dem Verhältnis von Ab 
sorption und Emission; er gibt nicht den geringsten Aufschluß über die ab 
soluten Beträge dieser beiden physikalischen Begriffe, es kann also nur 
immer der Bruch E : A auftreten. Unter Ausschluß der oben angegebenen 
Fälle ist aber der Satz von außerordentlicher Allgemeinheit, er gilt für alle 
festen, flüssigen und gasförmigen Körper, gleichgültig, ob dieselben reine
	        
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