70
A. Die astrophysikalischen Forschungsmethoden
sondern daß die Gesetze in Wirklichkeit vielleicht sehr kompliziert oder
mathematisch gar nicht einfach ausdrückbar sind, daß aber für unsere Kennt
nisse und vor allem für unsere Genauigkeitsforderungen die einfache Dar
stellung genügt. Es konnte danach auch für die J-Funktion angenommen
werden, daß sie sich bei allen Körpern mit der Wellenlänge in einem ein
fachen kontinuierlichen Verlaufe ändert.
Ganz anders verhält es sich mit glühenden Gasen, deren Lichtemission
ja auch in ganz anderer Weise zustande kommt als bei den festen und
flüssigen Körpern. Den Gasen kommt die interessante physikalische Eigen
schaft zu, daß ihr Emissionsvermögen für die meisten Wellenlängen auch
bei sehr hohen Temperaturen Null oder nahe Null ist und nur für ganz ver
einzelte Wellenlängen einen merklichen Wert hat. Ihr Spektrum ist also
auf seinem weitaus größten Teil dunkel und leuchtet nur an Stellen be
stimmter Wellenlängen als helle Linie auf.
Wollten wir die Emission eines Gases als Funktion der Wellenlänge
graphisch darstellen, so würden wir meist eine recht komplizierte Kurve
erhalten. Das Verhältnis J von Emissionsvermögen zu Absorptionsvermögen
oder die KiRCHHOFFSche Funktion soll aber eine sehr einfache Funktion
der Wellenlänge sein. Beides ist miteinander nur dann zu vereinigen,
wenn auch A, das Absorptionsvermögen, dieselbe komplizierte Funktion
von der Wellenlänge ist wie E, wenn also A genau dieselben Maxima wie
E besitzt. Dieses merkwürdige Verhalten von Emission und Absorption gibt
nun den Schlüssel zur Identität der hellen und dunklen Linien. Emission
und Absorption sind zwei genau konträre Begriffe. Ist die Emission bei
einem Gase für eine bestimmte Wellenlänge ein Maximum, so daß im Spek
trum eine helle Linie aufleuchtet, so liegt auch bei der Absorption, die ent
steht, wenn Licht durch das Gas hindurchgeht, für dieselbe Wellenlänge ein
Maximum vor, d. h. in dem durch das hindurchgehende Licht erzeugten
hellen Spektrum muß hier eine Lichtlücke, eine dunkle Linie, sein. Damit
haben wir den Kernpunkt der Spektralanalyse erfaßt. Wenn in dem Spek
trum eines fernen Himmelskörpers an einer Stelle, an der wir im Laboratorium
eine helle Linie im glühenden Gase finden, eine dunkle Linie auftritt, so
muß auf diesem Himmelskörper eine Schicht desselben glühenden Gases
vorhanden sein, durch die das ausgesandte Licht hindurchgeht und dabei
teilweise absorbiert wird.
Aus dem KiRCHHOFFSchen Satze folgt noch eine Tatsache, die zur Defi
nition des sog. schwarzen Körpers in Beziehung steht. Diese Definition be
sagt, daß ein absolut schwarzer Körper ein solcher ist, bei dem alle Strah
lung vollständig absorbiert wird, d. h. bei dem für alle Wellenlängen und
alle Temperaturen A gleich 1 ist. Aus dem KiRCHHOFFSchen Satze ergibt
sich für diesen Fall E = J, d. h. das Emissionsgesetz des schwarzen Körpers
ist gleich der J-Funktion.
Absolut schwarze Körper gibt es in der Natur nicht, wohl aber lassen
sie sich künstlich sehr genähert herstellen, und zwar ebenfalls wieder auf
Grund des KiRCHHOFFSchen Satzes. Kirchhoff hat bereits angegeben, daß
in jedem Hohlraume, dessen Hülle für Strahlung undurchlässig ist und über
all gleiche Temperatur besitzt, die Strahlung des schwarzen Körpers von
der Hüllentemperatur herrscht. Hat die Hülle eine kleine Öffnung, so tritt