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Abschnitt 6.
Der Augenabstand in der Perspektive.
ie kürzeste Entfernung des Stand- Selbstverständlich können nur normale Augen
punktes von der Bildebene, (beim bei der Wahl des Augenabstandes zum Maßstabe
Konstruieren im geometrischen Grund- dienen. Die Schwierigkeiten kann man oft beob-
risse der Abstand des Augenstand- achten bei Auslagen von Illustrationen oder in den
punktes (St) von der Bildebenenspur), Gemäldegalerien, wo ein kurz- und weitsichtiges
wird Augenabstand (Augendistanz) Publikum vor- oder zurückgeht, um gut sehen zu
genannt, und dieser sollte sich mög- können.
liehst mit der mutmaßlichen Ent- Abgesehen davon, daß die Buchillustrationen,
fernung, die der Beobachter später vor dem fertigen besonders die kleinen Textbildchen, meist als ver
bilde einnehmen wird, decken. Den natürlichsten kleinerte Reproduktionen größerer Perspektiven mit
und optisch besten Eindruck muß eine Darstellung weiten Augenabständen, nichts Ungewöhnliches für
erzielen, wenn die wirkliche Länge des Augen- unser Auge sind. Es wird deshalb auch in solchen
abstandes im geometrischen Konstruktionsgrundrisse Fällen der zu kurz geratene Augenabstand nicht
der Entfernung des Augenpaares vom betrachteten weiter störend wirken. Die Gewohnheit macht eben
Bilde entspricht; denn nur für diesen einen Stand- hier viel aus; wir legen auch z. B. ohne weiteres
punkt kann eine perspektivische Zeichnung ganz ein in der Natur stets aufrecht stehendes Objekt
richtig wirken, für jeden anderen aber mehr oder
weniger unrichtig. Diese Regel wird besonders
streng bei der Konstruktion einer Diorama- oder
Panoramaperspektive in Anwendung zu bringen sein,
denn so werden, besonders bei der ersteren, ganz
wunderbar plastische Wirkungen erzielt.
Es würde eine vollkommen ungünstig wirkende
Darstellung ergeben, wollte man eine kleine Zimmer
perspektive so konstruieren, als stände man mitten
im Raume, wenn man also den Standpunkt im
geometrischen Grundrisse innerhalb der vier Wände
annimmt und dieser im Maßstabe 1 : 200, 1:100 oder
auch 1 : 50 gezeichnet ist. Liegt nun die Bildebenen
spur ebenfalls noch im Zimmergrundrisse, so ist
wegen des auf jeden Fall zu kurzen Augenabstandes
eine außerordentliche Bildverzerrung unausbleiblich;
eine solche Zeichnung könnte nur bei einer Ver
größerung bis zur natürlichen Größe richtig wirken.
Doch auch selbst dann wäre der angenommene
Standpunkt für den Beschauer noch zu nahe; man
braucht nur auf die Wirklichkeit zurückzugreifen,
um zu verstehen, daß man im Zimmer stehend, ohne
Rundblick dieses überhaupt nicht zu übersehen ver
mag; man muß mindestens bis zur Eintrittstür
zurücktreten, um mit einem Blicke auch nur einen
Teil des Raumes betrachten zu können. Dieser Teil
ist nicht sonderlich groß, weil das Auge, wie schon
erörtert, bei starrer Haltung aber schweifendem
Blicke doch nur wenig zu übersehen vermag; dem
nach muß sich auch die perspektivische Zeichen- bei seiner bildlichen Wiedergabe flach, horizontal
weise und Konstruktion danach richten. auf den Tisch, ohne etwas Besonderes darin zu
Für eine solche Zimmerperspektive ist der finden, wenn nur der perspektivische Einklang im
richtige Weg der, sich das Zimmer wie eine Puppen- Bilde selbst gewahrt ist.
stube vor oder hinter der Bildebene aufgebaut zu Ein normaler, richtiger Augenabstand wird beim
denken und den Standpunkt davor in gehörigem Betrachten aber doch die Illustration wegen der
Abstande zu bemessen, siehe Fig. 36. Ist so der natürlichen optischen Wirkung bedeutend im Werte
mutmaßliche Augenabstand, den das spätere Bild steigen lassen; deshalb ist es von Bedeutung und
erhalten muß, festgelegt, so kann man die Bildebene interessant, festzustellen, wie die Augenabstände der
im geometrischen Grundrisse getrost vor, durch Bildgröße entsprechend am besten zu bestimmen
oder hinter den Zimmergrundriß legen, je der be- sind. Ein kleines Buch hält man beim Lesen mit
absichtigten Größe des Bildes entsprechend. Wenn normalen Augen ungefähr in einem Abstande von
nur der richtige Augenabstand, also die Entfernung 25 —30 cm; hieraus ergibt sich eine minimale Augen-
zwischen Bildebene und Standpunkt eingehalten wird, abstandsgrenze für kleinere Bilder, deren Breite
muß die perspektivische Zeichnung auch unbedingt zirka 5—10 cm beträgt, von nicht weniger als 25 cm.
ein optisch richtig und gut wirkendes Bild ergeben. Zu weiter Augenabstand ist auch ungünstig, weil
Anger, Neue Perspektive. ^
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