Full text: Neues Lehrbuch der Perspektive

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Abschnitt 8. 
Die perspektivischen Flucht- oder Verschwindungspunkte (Distanzpunkte). 
erspektive ist ohne die außerordent 
lich wichtigen Fluchtlinen nicht mög 
lich und folglich sind auch deren 
sichtbaren Grenzen, die Fluchtpunkte, 
eng mit der perspektivischen Wissen 
schaft verbunden. Zumal die kon 
struktive perspektivische Projektion 
verwendet ausschließlich die geraden 
Fluchtlinien und deren Fluchtpunkte, 
um mit ihrer Hilfe alle anderen Punkte und Linien 
auf der Projektionsfläche (Bildebene) in ihrer per 
spektivischen Lage und Form genau festzulegen. 
Alle perspektivischen geraden Linien haben 
einen Flucht- oder Verschwindungspunkt, in dem sie 
scheinbar verlaufen, weil ihre Sichtbarkeit in diesem 
Punkte aufhört, also die entfernteste Grenze findet. 
In dem Beispiele Abbildung Villa liegt der 
Verschwindungspunkt F auf dem Horizonte für alle 
parallelen Linien, die mit der Richtung der Fahr 
straßen gleich laufen, und der Punkt befindet sich 
nur deshalb auf dem Horizonte, weil diese Linien 
horizontal liegen. Ihr Verschwindungspunkt F liegt 
nach links vom Augenpunkte, und zwar deshalb, 
weil ihre Richtung von jener der Sehlinie oder 
Augenrichtungslinie nach links ab weicht. Wäre 
diese Abweichung nach links noch größer, so würde 
sich auch der /vPunkt oder Fluchtpunkt vom A 
noch mehr nach links entfernen. Bei paralleler 
Richtung zur Sehlinie muß sich jedoch der Punkt F 
mit A decken; je mehr die Abweichung nach rechts 
erfolgt, entfernt sich auch F von A nach rechts. 
Das alles hat seine Giltigkeit für die horizon 
talen Linien und Flächen; doch wenn z. B. die 
Parallelen nach abwärts laufen, etwa talwärts wie 
von einer Anhöhe, so werden ihre Verschwindungs 
punkte je nach der Richtung rechts oder links vom 
A-Punkte, aber unter dem Horizonte liegen. Ebenso 
wird sich der Fluchtpunkt der Linien, die nach 
aufwärts einer Anhöhe nach der Bildebenentiefe zu 
streben, über dem Horizonte befinden. 
Folgende Lehrsätze sind für die Flucht- oder 
Verschwindungspunkte von geraden Linien maß 
gebend: 
1. Ein Fluchtpunkt ist die sichtbare Grenze 
einer unendlich langen Linie im perspektivischen Bilde. 
2. Jede Gattung von Linien (also Linien mit 
paralleler, gemeinsamer Richtung) hat ihren be 
sonderen (eigenen) Fluchtpunkt. 
3. Alle parallelen Linien haben den gleichen 
Fluchtpunkt. 
4. Gerade horizontal laufende Linien haben 
ihren Fluchtpunkt stets auf dem Horizonte liegend. 
5. Der perspektivische Fluchtpunkt wird für 
alle horizontalen Linien aus dem geometrischen 
Grundrisse bestimmt; für nicht horizontale Linien 
aus dem Grundrisse für ihre Horizontalprojektion, 
und aus dem Aufrisse für die Fluchtrichtung der 
fallenden oder steigenden Lage. 
Für die Auffindung eines perspektivischen 
Fluchtpunktes im geometrischen Grundrisse ist 
folgende Regel zu beachten: 
Regel: Der Flucht- oder Verschwindungspunkt 
einer bestimmten Gattung horizontaler Linien wird 
in der geometrischen Grundrißprojektion aufgesucht, 
indem in der Richtung dieser Linien eine Parallele 
vom Standpunkte (St.) aus auf die Grundlinie der 
Bildebene, d. i. die Bildebenenspur gezogen wird. 
Die Entfernung des Augenpunktes von dem Durch 
gangspunkte dieser Parallelen durch die Bildebenen 
spur gibt die Entfernung des Fluchtpunktes vom 
A-Punkte auf dem Horizonte im Perspektivbilde an. 
Wenn dieser im Grundrisse nach rechts oder links 
liegt, so ist er auch auf der Zeichenfläche der Per 
spektivkonstruktion nach rechts oder links in der 
selben Weise zu legen. 
Die Fig. 42 zeigt das Auffinden solcher Flucht 
punkte. Der horizontale kreuzende Weg läuft 
parallel zur Augenrichtung, folglich liegt sein F.- 
Punkt auf dem A-Punkte. Die Linien der horizon 
talen Landstraße ziehen nach rechts, deshalb gibt 
die parallele vom S/.-Punkte aus gezogene Linie im 
Durchschnitte mit der Bildebenenspur in F a den 
Fluchtpunkt rechts des Augenpunktes an. Die hori 
zontalen Ackerfurchen dagegen führen nach links, 
und die Parallele von S/.-Punkt auf die Bildebenen 
spur legt in F b links vom A-Punkte den Fluchtpunkt 
für die Richtung aller Furchen fest. 
Um den Fluchtpunkt von geraden nicht hori 
zontalen Linien zu bestimmen, bedarf es sowohl der 
Auffindung des /vPunktes für die horizontale Pro 
jektionsrichtung, als auch des stets senkrecht über 
oder unter diesem liegenden /^.-Punktes für die eigent 
liche, die steigende oder fallende Richtung dieser 
Geraden. Figur 43 veranschaulicht perspektivisch 
gezeichnet eine solche Linie A B im Raume, deren 
Aufrißprojektion a-b und Grundrißprojektion a' b' ist. 
Eine zu dieser letzteren parallele Linie vom S/.-Punkte 
aus schneidet in F die Bildebenen- oder Aufrißspur 
im geometrischen Grundrisse; nach Lehrsatz 4 liegt 
der Fluchtpunkt für diese horizontale Richtung auf 
dem Horizonte im Perspektivbilde in F'. Da nun 
der zweite Fluchtpunkt, der der Vertikalrichtung, 
auf der senkrechten Linie zum Horizonte, durch F' 
gezogen, liegen muß und aus dem Aufrisse zu kon 
struieren ist, so wird durch den Augenpunkt in der 
Aufrißprojektion, der hier zugleich der des perspek 
tivischen Bildes ist, eine parallele Linie zur Aufriß 
projektion a-b der Geneigten gezogen und da, wo 
diese Senkrechte (durch F') schneidet, liegt F", der 
Fluchtpunkt der fallenden Richtungslinien. 
Derartige Projektionen sind in der folgenden 
Figur 44 a für den Zeichentisch als Aufriß und 
Grundriß in eine Fläche gelegt, um die Konstruktion
	        
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