Full text: Neues Lehrbuch der Perspektive

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auch der Täfelung die reichlich vielen Teilungen 
gegeben, was in bezug auf eine architektonisch 
ästhetische Kunstauffassung nicht als nachahmens 
wert betrachtet werden darf. Das Tiefenprofil der 
Kassetten ist so gestaltet, daß die senkrechten Flächen 
sich an Neigungsflächen schließen und die dunklere 
wagerechte Fläche den Grund einer jeden Kassette 
bildet. Die Neigungsflächen der einzelnen Kassetten 
sind als Teile einer Hohlpyramide aufzufassen, deren 
Spitze hier mit m bezeichnet ist. Dieser Tunkt liegt 
demnach genau senkrecht über der Mitte eines jeden 
Kassettenquadrates und bildet die Spitze einer über 
jedem Kassettenfelde gedachten hohlen Pyramide; 
der einzige sichtbare Teil ihrer Gehrung führt zu 
diesem Punkte m. 
Bei allen vorkommenden Fällen ist die Ent 
scheidung über die perspektivische Lage und Rich 
tung der Gehrungen, vorausgesetzt, daß ein geo 
metrischer Grundriß vorhanden ist, in ihm aufzu 
suchen, da die Richtung dort am leichtesten ein 
gezeichnet und am sichersten bestimmt werden kann. 
Ist jedoch kein Grundriß vorhanden, so sind die 
Gehrungen nach den Verkürzungen der Flächen im 
Bilde abzuschätzen; sind z. B. nach der Wirklichkeit 
gleiche Flächen perspektivisch senkrecht dargestellt, 
so kann bei rechtwinkeliger Lage derselben auch 
sehr leicht die Richtung der Gehrung bestimmt 
werden, da sie sich stets nach der stärkeren Ver 
kürzung der Flächen hinneigt. Wie häufig sieht 
man diese Lage fälschlicherweise gerade entgegen 
gesetzt gezeichnet, wodurch dann die Profile eine 
vollkommen ungleiche Ausladung und die Gehrungen 
eine schiefe Richtung erhalten. 
Beim Naturzeichnen wird die Gehrung durch 
den senkrecht gehaltenen Zeichenstift festgestellt; 
die Abweichungen nach links oder rechts sind da 
mit leicht wahrzunehmen und ein einigermaßen gutes 
Augenmaß wird auch sicher die richtigen einzelnen 
Verhältnisse der Gehrungslinien bestimmen können. 
Das Abschätzen der Gehrungsabweichungen bei 
Entwurfszeichnungen nach einem sogenannten per 
spektivischen Gefühle wird gar leicht Fehler herbei 
führen. Es gehört schon eine bedeutende perspek 
tivische Erfahrung dazu, um die oft recht feinen 
Linienunterschiede, zumal bei Gehrungen in Kurven 
und Kreisteilen, genau abwägenzu können; deshalb 
ist eine der vorstehend genannten Hilfskonstruktionen 
in jedem Falle zu empfehlen. 
Die Abbildung zeigt einen tieferliegenden Hori 
zont als normal, sie ist mit solchem konstruiert 
worden, um weniger Draufsicht und mehr Decken 
untersicht im Bilde zu erhalten. 
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Abschnitt 16. 
Die perspektivische Schattenkonstruktion, Reflexlicht und künstliche Beleuchtung. 
ie schon in Abschnitt 2 erwähnt, ist 
ohne Licht kein Sehen möglich. Sehen 
ist das Wahrnehmen mehr oder weniger 
hell beleuchteter Flächen, die ihre 
Leuchtstrahlen, die Lichtstrahlenbün 
del durch die Augenlinsen auf unsere 
Netzhaut gelangen lassen. Diese Leucht 
flächen gliedern sich in unendlich 
viele Abstufungen, von der stark vom Sonnenlichte 
bestrahlten Fläche bis herab zum tiefsten Schatten; 
denn auch dieser hat immerhin noch Leuchtkraft, 
wenn auch sehr geringe. Die Lichtquellen sind ver 
schieden, infolgedessen auch die Beleuchtungsarten 
voneinander getrennt, und selbst wo mehrere zu 
sammen auftreten, wird jede einzelne ihren beson 
deren Einfluß ausüben. 
In erster Linie kommt als wichtigste, unentbehr 
lichste und angenehmste Lichtquelle die Sonne in 
Betracht mit ihren zeitweise grellen Lichtern und 
tiefsten Schatten, deren gewaltige Kontrasteffekte 
von keiner anderen Beleuchtung übertroffen werden. 
Die sogenannte Tageslichtbeleuchtung geht selbst 
verständlich auch von der Sonne aus, doch ist die 
unmittelbare Lichtquelle das Firmament, die von 
Sonnenstrahlen durchleuchtete Luft, die Wolken u. s. w., 
die eine mehr oder weniger gedämpfte Leucht 
kraft besitzen und Schatten von geringerer Schärfe, 
sowie mattere Beleuchtungsgegensätze schaffen. 
Auch der Mond ist als indirekte Lichtquelle 
aufzufassen, der ja als unserer Erde nächster 
Himmelskörper sein Licht auch von der Sonne 
empfängt und deshalb schwächere, bleichere Strahlen 
in’s Weltall zurückwirft. Dadurch gewinnt aber 
die Mondbeleuchtung gerade durch ihren matteren 
Schein und die im allgemeinen tiefen Schatten jenen 
bekannten ganz eigenartigen geheimnisvollen Reiz. 
Die künstliche Beleuchtung schließlich, sei es 
durch eine elektrische Bogenlampe oder armselige 
Talgkerze, läßt wohl die mannigfaltigsten Be 
strahlungseffekte zu, die zumal in der Farbe recht 
verschiedenartig wirken können. Doch kann der 
Wirkungskreis dieser Beleuchtung stets nur räum 
lich sehr beschränkt und einseitig sein. 
onnenlicht ist als 
gleichmäßige Licht 
quelle mit voll 
kommen paralleler 
Strahlung anzu 
sehen, weil bei der 
gewaltigen Ent 
fernung der Sonne, die so viel größer als unsere 
Erde ist, nur ein verhältnismäßig kleiner Teil von 
Strahlenbündeln die Erde treffen kann. Die Rich 
tung einer solchen parallelen Bestrahlung wird, den 
Gesetzen über parallele Linien bei der Perspektiv 
konstruktion folgend, auch nach einem perspektivi 
schen Flucht- oder Verschwindungspunkte führen. 
Dieser Fluchtpunkt muß bei einer mehr oder weniger 
geneigt einfallenden Lichtrichtung, (bei einer Schatten 
konstruktion kann sie niemals parallel zur Horizontal 
richtung oder unter ihr sein, weil sonst kein be-
	        
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