Full text: Populäre astronomische Encyclopädie

die um die Pendelkugel geschlungene Schleife fiel zu Boden und jene, 
nur von der Schwerkraft getrieben, setzte sich in Gang und machte 
eine lange Reihe von Schwingungen, deren Ebene sich bald merklich 
verschob. Im Allgemeinen ist nach Verlauf einer halben Stunde die 
Verschiebung bereits so gross, dass sie deutlich in die Augen springt; 
allein es ist interessanter, die Erscheinung in der Nähe zu betrachten, 
um sich von dem ununterbrochen langsamen Fortrücken zu überzeugen. 
Zu dem Ende bedient man sich der verticalen Spitze eines auf einem 
Brettchen befestigten Stiftes, das man auf den Boden stellt, so dass 
die untere Verlängerung der hin- und herschwingenden Pendelkugel 
an der Gränze ihrer Ausschreitung an die feste Spitze streift. In 
weniger als einer Minute schon, hat dann das genaue Zusammenfallen 
beider Spitzen sein Ende erreicht; die Spitze der Pendelkugel ver 
schiebt sich beständig gegen die Linke des Beobachters, als Anzeige, 
dass die Ablenkung der Schwingungsebene in gleicher Richtung ge 
schieht, wie die scheinbare Drehung des Himmelsgewölbes. Die Grösse 
dieser Abweichung steht in vollkommener Uebereinstimmung mit den 
Ergebnissen der Theorie. Während am Nordpol, der Rechnung nach, 
die Grösse der Drehung, welche die Schwingungsebene des Pendels 
erleidet, 15 Grad beträgt, ist sie für die Breite von München nur 
11,31 Grad, für Cayenne nur 1,31 Grad. 
Foucault hat seine Versuche später in grösserm Maassstabe im 
Meridiansaale der Pariser Sternwarte mit einem Pendel von 11 Meter 
Länge angestellt, wobei die Verschiebung schon nach zwei Schwin 
gungen des Pendels wahrnehmbar Avurde. Einige Zeit nachher haben 
Garthe im Kölner und Schwerd im Speyerer Dome die Foucault’- 
schen Versuche im grossartigsten Maasse wiederholt und bestätigt 
gefunden. 
Foucault, Jean Bernhard Léon, geb. zu Paris am 18. Sept. 1819, 
als der Sohn eines Verlagsbuchhändlers. Seine ersten Studien bezogen 
sich auf die medicinischen Wissenschaften, doch zog er mathematische 
und physikalische Studien vor. Es ist das Verdienst Leverrier’s, 
das eminente Talent Foucault’s erkannt zu haben und dadurch, dass 
er ihn mit dem Titel eines Physikers an das Pariser Observatorium 
fesselte, seinem Eifer die Mittel gab, jene wichtigen Untersuchungen 
anstellen zu können, welche der Wissenschaft des neunzehnten Jahr 
hunderts zur bleibenden Zierde gereichen. 
Unter diesen aber steht dasjenige Experiment in erster Reihe, 
welches vor 19 Jahren den Namen Foucault zu allen Gebildeten auf 
dem ganzen weiten Erdbälle trug: der physikalische Beweis von der 
Axendrehung der Erde mittels des Pendels. Dass die Richtung der 
Schwingungsebene eines hin und her oscillirenden Pendels sich ändert, 
haben bereits die Mitglieder der alten Florentinischen Academie del 
Cimento beobachtet, allein Niemand hat dieser Bemerkung (die erst 
nach Foucault’s Darstellung wieder an’s Licht gezogen wurde) Auf 
merksamkeit geschenkt. Dieser letztere Physiker vielmehr war der 
Erste, der die Behauptung aufstellte und begründete, dass die Rich 
tung der Schwingungsebene des Pendels, indem sie sich langsam von 
Foucault. 
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