Full text: Populäre astronomische Encyclopädie

Gradmessungen. 
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des Pendels zur Folge haben muss. Einige Jahre später, 1683, be 
gannen durch des grossen Colbert Vermittlung Cassini und de la 
Hire eine neue Gradmessung, die durch verschiedene Umstände ver 
zögert, erst im Jahre 1718 beendet wurde. Sie erstreckte sich in 
einer Ausdehnung von mehr als 8 Graden mitten durch Frankreich; 
das Resultat war: Länge eines Grades im Süden = 57097 Toisen, im 
nördlichen Theile = 56960 Toisen, ein Ergebniss, welches mit der 
Newton’schen Theorie in directem Widerspruche stand. Denn es 
folgte daraus, dass die Erde nach Norden zu mehr gekrümmt sei als 
in den Aequatorial-Gegenden, also eine eiförmige oder elliptische Ge 
stalt besitzen müsse. Hierdurch entspann sich ein langwieriger Streit 
zwischen den englischen Gelehrten, die sich auf Newton’s mathema 
tische Darstellung beriefen und der Pariser Academie, welche Partei 
für ihren grossen Astronomen Cassini nahm. Man gelangte indess 
schliesslich zu der Ueberzeugung, dass Cassini’s Gradmessung einen 
zu kleinen Theil der Erde umfasse, um in jener Frage entscheidend 
sein zu können und so entwarf die Pariser Academie den Plan zu 
einer neuen grossartigen Meridianmessung, welche gleichzeitig in Lapp 
land und in der Nähe des Aequators ausgeführt werden sollte. Der 
Plan fand die Billigung Ludwigs XV. und so gingen Bouguer, La 
Condamine, Godin und der Spanier Ulloa 1735 nach Peru und 
maassen auf den Hochebenen der Cordilleren zwischen Tarqui und 
Cothesqui einen Bogen von 3° 7'. Camus, Clairaut, Lemonier, 
Maupertuis und Quthier aber gingen im folgenden Jahre nach 
Tornea, um dort ebenfalls einen Bogen des Meridians zu messen. 
Das Resultat der Arbeiten beider Expeditionen war: 
Länge eines Grades unter dem Aequator = 56753 Toisen, 
„ „ „ „ „ Polarkreise = 57437 „ 
Hieraus ergab sich, dass der Grad im Norden grösser wie am 
Aequator ist, dass man daselbst einen längeren Weg zurücklegen muss, 
um gleiche Krümmung wie am Aequator zu erhalten, dass daselbst 
die Erde also weniger gekrümmt, flacher, d. h. abgeplattet ist. 
Durch jene beiden Expeditionen hauptsächlich angeregt, begannen 
von jetzt ab auch Gradmessungen in vielen anderen Staaten; durch 
Boscowich und Lemaire im Kirchenstaate, Beccaria in der oberen 
Poebene, Dixon und Mason in Pensylvanien, Burrow in Ostindien. 
Früher schon 1752 hatte Lacaille am Cap der guten Hoffnung einen 
Bogen des Meridians gemessen, jedoch erweckten seine Resultate kein 
sehr grosses Zutrauen, indem aus denselben eine ungleichförmige Ge 
stalt der Erde in beiden Hemisphären folgte. Das Resultat war nach 
Lalande 57040 Toisen als Länge eines Grades. Die neue Messung, 
welche Maclear 1848 ausgeführt hat, gibt die mittlere Länge eines 
Grades 27 Toisen kleiner. 
Dies war der Standpunkt der Kenntnisse von der Grösse und 
Gestalt der Erde, als die französische Revolution hereinbrach und mit 
ihr neue und grossartige Ideen ausgeführt wurden, die man früher 
wohl kaum geahnt hatte. Damals tauchte der Vorschlag auf, ein all 
gemeines Weltmaass einzuführen, dessen Einheit nie mehr verloren
	        
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