Full text: Populäre astronomische Encyclopädie

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Gradmessungen. 
dass alle Messungen nicht in einer Ebene, auch nicht einmal auf einer 
Kugel, sondern auf der Oberfläche eines spliäroidaleu Erdkörpers ge 
schehen. Die Berechnung der kürzesten Linie zwischen zwei Punkten 
dieser Oberfläche z. B. ist daher sehr verwickelt. In der Ebene würde 
sie eine gerade Linie, auf der Kugel ein Theil eines grössten Kreises 
sein, auf dem Sphäroid aber ist sie eine Curve doppelter Krümmung, 
die „geodätische Linie“ und windet sich in ihrem Verlaufe durch- 
gehends spiralförmig um die Erde, d. h. wenu man dieselbe rund um 
die Erde bis zur Polhöhe ihres Ausgangspunktes verlängert denkt, so 
trifft sie im Allgemeinen den Anfangspunkt nicht auf’s neue, sondern 
schneidet dessen Parallelkreis unter einer andern Länge. 
Ehe zu den oben als nöthig gezeigten Winkelmessungen geschrit 
ten werden kann, wird nun zuerst die Länge einer Standlinie oder 
Basis gemessen. Da aus der Grösse dieser Basis später die Grösse 
des Erdumfangs berechnet wird, so ist es klar, dass der kleinste Fehler 
in ihrer Grössenbestimmung, auf das Endresultat sehr bedeutend ein 
wirken würde. Die Messung einer geeigneten Basis ist daher das 
schwierigste Geschäft der ganzen Gradmessung. Um aber in dieser 
Beziehung die höchstmögliche Sicherheit zu erlangen, begnügt man 
sich nicht mit Messung einer Grundlinie, sondern misst deren wenig 
stens noch eine zweite und verbindet ihre Endpunkte mit den übrigen 
Punkten der Gradmessung. Alsdann lässt sich die Grösse dieser zwei 
ten Basis aus der ersten berechnen und diese Rechnung mit der wirk 
lichen Messung verglichen, gibt eine Controlle über das Zutrauen, 
welches beide Messungen verdienen. 
Die Basis wird auf möglichst ebenem Boden bestimmt; die Länge, 
welche man ihr am vortheilhaftesten zu geben hat, nimmt man ver 
schiedene an. Sch wer d war der Erste, der dieselbe sehr kurz nahm; 
ebenso hat Bes sei seine Grundlinie nur auf 935 Toisen ausgedehnt, 
während man früher, wie z. B. bei der grossen französischen Grad 
messung eine fast 7 Mal grössere Basis annahm. Die Messung selbst 
geschieht mit Stangen (bei Bes sei bestanden dieselben aus Eisen und 
Zink), deren Endpunkte verschieden geformt sind, meist jedoch nach 
Reichenbach’s Angaben hier vertical, dort horizontal zulaufen. Ein 
Hauptaugenmerk wird bei Messungen mit diesen Stangen auf die Tem 
peratur genommen, da bekanntlich alle Metalle eine nach der Tempe 
ratur verschiedene Ausdehnung annehmen. Als Maasseinheit gilt bei 
Untersuchungen über die Grösse der Erde allgemein die Toise, der 
jenige Maassstab, der bei den französischen Messungen zum Grunde 
gelegt worden. Es ist indess nicht möglich, hier eine detailirtere Be 
schreibung der Vorrichtungen zu geben, weiche angewandt werden, um 
die Copien der Maasseinheit mit höchster Genauigkeit mit dem Origi 
nale zu vergleichen. Bes sei liess eine solche Copie verfertigen, die 
nur V.oüoo Linie zu kurz ist, die Dorpater Sternwarte besitzt eben 
falls eine Copie, die nach Arago’s Messungen gänzlich dem Pariser 
Originale gleich ist und nach welcher W. Struve die Länge der bei 
den russischen Messungen zu Grunde gelegten Etalons bestimmte. 
Nachdem nun die Basis gemessen und ihre Endpunkte mit grösst
	        
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