16
Anziehung.
Schon Anaxagoras schrieb den Himmelskörpern Schwere zu,
in Folge deren sie auf die Erde herabstürzen würden, wenn die Ge
walt des Umschwunges sie nicht daran verhinderte. Die Epicuräer
hatten, wie aus einer Stelle bei Lucrez hervorgeht, ebenfalls eine dunkle
Idee von einer Anziehungskraft, und indem Lucrez diese letztere zu-
giebt, folgert er daraus, dass die Welt unendlich sein müsse, denn
wäre sie begrenzt, so würden die äussersten Körper nur gegen die
innern schwer sein und zum Mittelpunkte herabstürzen. Copernicus
schrieb sehr richtig das Bestreben der Körper, sich in Kugelform zu
ballen, einer Anziehung zu und glaubte, dass solche auch den Himmels
körpern eigen sei. Der phantasiereiche Kepler glaubte ebenfalls an
die Existenz einer allgemeinen Anziehungskraft und sprach es sogar
aus, dass Erde und Mond in Folge dieser gegenseitigen Anziehung
zusammenstossen müssten, wenn sie nicht zurückgehalten würden.
Baco von Y erulam und Gilbert nahmen gleichfalls eine allgemeine
Attraction an, und Fermat behauptete sogar, dass ein Theilchen
zwischen der Oberfläche und dem Mittelpunkte einer Kugel eine ge
ringere Anziehung erleide als an der Oberfläche, indem die Schwere
im Innern einer Kugel mit dem Abstande vom Mittelpunkte abnehme.
Noch weiter ging Hooke, der Freund und Zeitgenosse Newton’s; er
nahm an, dass alle Weltkörper sich gegenseitig anziehen und dass diese
Attraction in dem Maasse stärker werde, als die betreffenden Körper
einander näher stehen. Das Gesetz, nach welchem sich diese Anziehung
mit der wachsenden oder abnehmenden Entfernung ändert, fand Hooke
indess nicht und überliess so Newton das unvergängliche Verdienst,
das wahre, alle Bewegungen der Himmelskörper dominirende Gesetz
der Attraction auszusprechen. Das Jahr dieser unsterblichen Entdeckung
ist 16(56, in welchem Newton vor der Pest aus Cambridge flüch
tend, sich auf sein Gut Woolsthorpe zurückzog. Hier soll der grosse
Mann durch einen von einem Baume herabfallenden Apfel zum Nach
denken über die Ursache dieses Fallens veranlasst worden sein. Wie
es sich mit der Geschichte von dem Apfel verhält, lässt sich gegen
wärtig nicht mehr genau nachweisen; Gauss erklärte sie für ein
Märchen. Thatsache ist jedoch, dass man noch bis zum Jahre 1826
jenen Apfelbaum zeigte, der dann dem Gesetze der Schwere zum Opfer
fiel, worauf der Eigenthümer desselben aus dem Holze einen Stuhl
anfertigen liess, welchen man den Fremden zeigte. Uebrigens vermochte
Newton erst im Jahre 1682 den mathematischen Nachweis des oder
vielmehr der Gesetze der Attraction zu liefern, weil er erst um diese Zeit
in den Besitz einer genauen Angabe für die Grösse des Erdballs ge
langte, und dieser Werth, wie in dem Artikel Gravitation gezeigt
wird, ihm behufs jenes Nachweises nöthig erschien, obgleich sich das
Gesetz der Abnahme der Schwere mit wachsender Entfernung auch aus
den Kepler’schen Gesetzen herleiten lässt.
Newton sah übrigens keineswegs die Schwere oder Anziehungs
kraft als eine allgemeine, den Körpern als solchen nothwendige Eigen
schaft an und selbst sein Schüler Maclaurin wies hierauf noch aus
drücklich hin. Inzwischen ist kein Stoff bekannt, der ohne Schwere,