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Störungen.
dazu aufgefordert, im Sommer 1845 seine Bearbeitung der Uranus
theorie begann. Die Ergebnisse wurden zuerst in den Sitzungen der
Pariser Akademie vom 10. November 1845, 1. Juni, 31. August und
5. October 1846 mitgetheilt, und in den Sitzungsberichten auszugs
weise abgedruckt. Eine zweite, ähnliche Veröffentlichung fand in den
„Astronomischen Nachrichten“ statt, während die vollständige Abhand
lung in der „Connaissance des temps pour 1849” erschien. Leverrier
hatte sich, dem Wesen des Problems zufolge, bei seinen Untersuchungen
ein weites Ziel gesteckt. Er war gezwungen in seiner Arbeit folgende
einzelne Aufgaben zu lösen:
1) Neue, genauere Entwickelungen der Störungen des Uranus durch
Jupiter und Saturn, um genaue Orter des Uranus zu erhalten.
2) Neue Reduction von 19 älteren (1690—1771) und 262 neueren
Pariser und Greenwicher Meridianbeobachtungen (1781 —1845) und
deren Vergleichung mit der Theorie unter der Voraussetzung, dass die
Uranusbewegung nur durch Jupiter und Saturn gestört wird.
3) Nachweis, dass unter dieser Voraussetzung Beobachtung und
Theorie durchaus unvereinbar bleiben und nur durch Annahme eines un
bekannten, jenseits des Uranus befindlichen Planeten vereinbar sind.
4) Bestimmung der Bahnelemente des unbekannten Planeten aus
den Störungen des Uranus.
5) Nachweis, dass durch Einführung der Störungen eines solchen
transuranischen Planeten, die Abweichungen zwischen Beobachtung und
Rechnung in der Bewegung des Uranus verschwinden.
Diese sämmtlichen Aufgaben hat Leverrier mit bewunderns
würdiger Schärfe durchgeführt. Nachdem die Störungen entwickelt
und die Beobachtungen scharf reducirt worden, fanden sich noch immer
Abweichungen von 20“ bis zu 4“ zwischen Rechnung und Beobach
tung, welche zu gross sind, um blossen Fehlern zugeschrieben zu
werden.
Leverrier zeigte nun weiter, dass diese Anomalien nur unter
der Voraussetzung eines transuranischen Planeten sich erklären lassen.
Das Titius’sche Gesetz gab einen annähernden Werth für den mittlern
Abstand des Planeten von der Sonne und Leverrier schritt nun
dazu, die Bahn des unbekannten Wandelsternes genauer zu bestimmen.
Die Möglichkeit, diese Aufgabe zu lösen, unterliegt keinem Zweifel;
denn da durch die Elemente die Störungen gegeben werden, so muss
man auch von diesen auf jene scldiessen können und die strenge Auf
lösung des Problems ist nicht mit unüberwindlichen Schwierigkeiten
verknüpft, wenn die gegebenen Störungen als genau und als alleinige
Functionen des störenden Planeten angesehen werden können, somit
also nur die Elemente des letztem, d. h. fünf unbekannte Grössen zu
bestimmen wären. Allein der vorliegende Fall gestattet diese Voraus
setzung nicht, da beide Bahnen so von einander abhängig sind, dass
alle Elemente gleichzeitig in die betreffenden Gleichungen aufgenommen,
also zehn unbekannte Grössen aus den Unterschieden zwischen den
beobachteten und berechneten Oertern bestimmt werden müssen. Lever
rier ging übrigens nicht darauf ein, das Problem in seiner ganzen