Einfluß des Elektrodenmaterials.
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weicliung als Gas nötigen Druck erreicht hat, eine Spannungserniedri
gung, wovon geeignetenfalls auch Gebrauch gemacht werden kann.
Ebenso lassen sich an der Anode Ueberspannungen und dadurch
verstärkte Oxydationswirkungen hervorrufen (s. z. B. die Ueberführung
von Chromisalz zu Chromat unter „Chrom“).
Ein instruktives Beispiel für den Einfluß des Elektrodenmaterials
auf den A r erlauf der Reaktion liefert auch die Bildung von Dithionat
aus Sulfit 1 ). Wird nämlich die Elektrolyse mit glatten Platinelektroden
ausgeführt, so bildet sich kein Dithionat; bei Anwendung von frisch
platinierten Elektroden ebenfalls nicht, wohl aber, wenn dieselben unter
der Stromwirkung sich mit Sauerstoff beladen haben. Man beobachtet
nämlich, wenn man eine Lösung von Schwefelsäure oder von Natron
lauge hei konstant gehaltener Temperatur und gleichbleibender Strom
stärke zwischen platinierten Elektroden elektrolysiert, ein ganz kontinu
ierliches Ansteigen der Klemmenspannung, welches anfangs schneller,
später immer langsamer erfolgt, aber auch nach 1 bis 2 Tagen noch
nicht abgeschlossen ist. Die Erscheinung rührt daher, daß das Po
tential der Anode zu immer höheren Werten ansteigt, dadurch daß
das Platinschwarz sich mit Sauerstoff beladet. Diese Aufnahme (Lö
sung?) von Sauerstoff bei der anodischen Polarisation ist viel größer,
als sie durch reines Sauerstoffgas erzielt werden kann. Aus diesen
Lösungen wird der Sauerstoff nur sehr langsam freiwillig wieder ab
gegeben, wenn die polarisierenden Kräfte zu wirken aufhören; dagegen
nimmt eine nur Sekunden dauernde kathodische Polarisierung der Anode
sofort das hohe Potential wieder an, ein Zeichen, daß dasselbe durch
sehr geringe Sauerstoffmengen bedingt ist. Durch verschieden lange und
starke anodische Polarisierung kann man also einer mit Platinschwarz
überzogenen Elektrode sehr wechselnde, von dem im Zustande der
frischen Platinierung zu beobachtenden Werte erheblich verschiedene
Potentiale aufzwingen. Da diese sich auch ziemlich lange halten, kann
man mit derartig verschieden vorbehandelten platinierten Elektroden
auch sehr wechselnde Wirkungen hervorrufen, die sich durch Steige
rung der Stromdichte nicht erzielen lassen.
Außer durch Ueberspannung wirkt das verschiedene Elektroden
material aber auch durch seinen verschiedenen spezifischen katalyti
schen Einfluß auf die Reaktion; so z. B. werden an Eisenelektroden
Chlorsäure und Salpetersäure weitgehend reduziert, obwohl an Eisen
die Ueberspannung gering ist 2 ).
Nach F. W. Skirrow erhöht Gegenwart von elektrolytisch ab
geschiedenem Fluor durch Ozonbildung in vielen Fällen (Chromoxyd
salze, Manganosalze, Kobaltsalze, organische Verbindungen) die ano
dische Oxydationswirkung 3 ).
Der zweite Faktor, der sorgfältiger Beachtung bedarf, ist die
Strom dichte, also das Verhältnis der Stromintensität zur wirksamen
Elektrodenoberfläche. Als Einheit der Fläche wird in der Technik das
Quadratmeter, bei Laboratoriumsversuchen meist das Quadratdezimeter
1) Förster u. Friessner, Ber. d. deutsch, chem. Ges. 35, p. 2515 (1902).
2 ) Coehn, Y. intern. Kongreß f. angew. Chem. Berlin 1903; Chem. Zeitschr.
2, p. 586 (1903).’
3 ) Zeitschr. f. anorg. Chem. 33, p. 25 (1902); vgl. dagegen BÖdländer,
Chem. Zeitschr. 2, p. 461 (1903).