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Bleichflüssigkeiten.
Hypochlorite; Bleichflüssigkeiten.
Wie S. 408 auseinander gesetzt worden ist, treten unter geeigneten
Umständen bei der Elektrolyse von Alkalichloridlösung unterchlorige
Säure und ihre Salze im Bade auf und zwar entstehen dieselben hei
niedriger Temperatur und hoher Kathodenstromdichte stets in erheb
licher Menge, wenn das entstehende Alkalimetall nicht alsbald aus dem
Reaktionsraume entfernt wird. Indessen sind der Hypochloritkonzen
tration Grenzen gesetzt einmal dadurch, daß dasselbe an der Kathode
wieder zu Alkalichlorid reduziert wird, dann dadurch, daß es an der
Anode an der Entladung teilnimmt und Chloratbildung hervorruft.
Bewirkt man durch einen Chromatzusatz zum Elektrolyten die Bildung
eines als Diaphragma wirkenden Ueberzuges von chromsaurem Chrom
oxyd auf der Kathode, so wird die Reduktion des Hypochlorits da
selbst vermindert, und man kann nach Foerster bei hoher Strom
ausbeute bei 14° C. aus 10°/oiger Salzlösung 23 g Chlor im Liter, aus
konzentrierter Salzlösung im Höchstfälle 38,5 g Chlor erzielen. Es
empfiehlt sich in der Praxis aber gewöhnlich nicht, die Lösungen mit
mehr als 0,3 g Hypochloritsauerstoff = 1,33 g bleichendem Chlor in
100 ccm herzustellen 1 ). Solche Lösungen sind für Zwecke der Blei
cherei noch viel zu stark, da dieselben nicht mehr als 0,2 °/o bleichen
des Chlor enthalten dürfen.
Das Bleichen mit Hilfe der Elektrizität ist durchaus nicht neu;
schon 1820 bleichte Brand Kaliko zwischen zwei Platinplatten, aber
erst in neuerer Zeit findet der Prozeß häufigere Anwendung.
1883 stellten Lidoff und Tichomiroff 2 3 ) durch Einwirkung
des galvanischen Stromes auf die Lösung der Chloride der Alkalien
und des Calciums eine stark bleichend wirkende Flüssigkeit her, die
sie zum Bleichen von Baumwolle, Hanf und Flachs verwendeten.
In demselben Jahre trat auch Her mite mit seinen von da an
ununterbrochen fortgesetzten Versuchen in die Oeffentlichkeit s ). Sein
Verfahren lieferte eine sehr gute Bleichflüssigkeit und wurde in Papier-
und Flachsfabriken vielfach eingeführt 4 ). Er elektrolysierte Seewasser,
später ein Gemisch von Magnesiumkaliumchlorid und frisch gefällter
Magnesia bezw. eine Mischung von Chlormagnesium, Chlorcalcium und
Magnesiumhydroxyd in Wasser in fünf übereinander angeordneten
Bütten 5 ). Als Kathoden dienten runde Zinkscheiben, die auf einer
Zinkwelle senkrecht standen und parallel zueinander angeordnet waren;
die Anoden bestanden aus Platingaze in Bleirahmen mit Ebonitfassung.
Während der Elektrolyse wurden die Zinkwelle und damit die Scheiben
in Rotation versetzt, so daß die Flüssigkeit zwischen den Elektroden
in eine sehr heftige wirbelnde Bewegung versetzt wurde. Außerdem
0 F. Foerster, Chem. Ind. 1899, p. 501 u. 534; A. Sieverts, Zeitscbr.
f. Elektr. 6, p. 364 u. 374 (1900); Oettel, Zeitscbr. f. anorg. Chemie 1, p. 356
u. 474; Haber u. Gr inberg, daselbst 16, p. 357; Müller, ebenda 22, p. 35;
F. Foerster u. E. Müller, Zeitscbr. f. Elektr. 8, p. 8 (1902).
2 ) D.R.P. Nr. 30790; 32103; 48757; 51534.
3 ) D.R.P. Nr. 30790 von 1883.
4 ) D.R.P. Nr. 34549 u. 49851.
5 ) S. auch Her mite, D.R.P. Nr. 35549 von 1884, und Schoop, Zeitscbr.
f. Elektrochemie 1895: Zur Elektrolyse von Chlorcalciumlösungen.