240 Viertes Kapitel. Ausdehnung des Weltraums.
dass die kugelförmige Gestalt und die nach allen
Richtungen wirkende Anziehungskraft der Erde keines
wegs erfordere, dass sie den Mittelpunkt des Weltalls
bilde, sondern dass sie nur den Mittelpunkt einer an
ziehenden Kraft bilde, ähnlich wie im Kleinen die
Tropfen einer Flüssigkeit, welche ebenfalls eine kugel
förmige Gestalt annehmen.
So sank die Erde von ihrer Stellung im Mittelpunkt
des Weltalls zum Range der übrigen die Sonne um
kreisenden Planeten herab, wodurch sie indessen nichts
an ihrer Wichtigkeit für uns yerlor, da sie die einzige
Basis bildet, von der aus wir das Weltall ausmessen können.
Dimensionen der Erde.
Die Grösse der Erde als Kugel betrachtet ist nicht
schwieriger zu bestimmen als die Grösse irgendeiner
andern Kugel, die sich berechnen lässt, sobald die
Dimensionen eines grössten Kreises derselben bekannt
sind. Am besten eignet sich zu dieser Grössenbestimmung
der Meridian und zwar genügt zu derselben die Aus
messung eines kleinen Theils, eines oder mehrerer Grade
desselben. Die Ausführung dieser Messung besteht aber
in der Bestimmung von zwei durchaus verschiedenen
Grössen, nämlich der Anzahl der gemessenen Grade
und der linearen Ausdehnung dieser Grade.
Die Grösse des Bogens ergibt sich aus dem Winkel,
den die an den beiden Endpunkten desselben errichteten
Verticallinien miteinander bilden. Dieser Winkel ist
gleichbedeutend mit der Differenz der geographischen
Breiten beider Punkte. Ist Fig. 52 Z S C die Verticale
am einen und Z' A C diejenige am andern Endpunkt
des Bogens, so handelt es sich um die Bestimmung des
Winkels, den diese beiden Linien bilden.
Eratosthenes, dem die Geschichte das Verdienst zu
schreibt, zuerst dieses Problem gelöst zu haben, bediente
sich eines sehr einfachen Mittels. Es war in Aegypten
allgemein bekannt, dass zur Zeit des Sommersolstitiums
in Syene die senkrechten Körper keinen Schatten warfen
{„atque umbras nusquam vertente Syene“) und der