Die Wärmestrahlung der Sonne.
77
für die rein tellurischen Erklärungen der Eiszeiten, z. B. durch Ver
änderungen im Laufe des Golfstroms, eintreten, so würde die Dubois-
sclie Theorie als einzige übrig bleiben, und dann direct beweisend für
das Vorhandensein von lang-periodischen Strahlungsänderungen der Sonne
sein.
Betrachtet man die zur Zeit stattfindende nahe Ausgleichung der Tem
peraturerniedrigung der Sonne durch ihre Contraction als bestimmt fest
gelegte Thatsache, so ist es einigermassen verführerisch, weitere Rech
nungen über Anfang und Ende der Sonnenstrahlung anzustellen. So
hat z. B. v. Helmholtz unter der Annahme einer gleichförmigen Dichtig
keit der Sonnenmaterie berechnet, dass der jetzige Strahlungseffect der
Sonne erst seit etwa 20 Millionen Jahren bestehen könne. Die dieser
Rechnung zu Grunde liegende Annahme über die Dichtigkeit der Sonne
entfernt sich aber zweifellos so sehr von der Wahrheit, dass man nicht
einmal beurtheilen kann, ob das Resultat auch nur der Ordnung nach
richtig ist. Alle derartigen Betrachtungen gehören vorläufig noch nicht
in exacte astronomisch-physikalische Untersuchungen hinein; auf einiger
massen reeller Grundlage dürften sich vielleicht aber noch die folgenden
Gedanken bewegen.
Unter Zugrundelegung der Kant-Laplace’schen Theorie muss der
ganze jetzige Energievorrath des Sonnensystems nebst dem inzwischen
durch Strahlung verloren gegangenen Betrage in einem sehr weit aus
gedehnten, mit sehr verdünnter Materie erfüllten Raume in nahe gleicli-
mässiger Vertheilung vorhanden gewesen sein, dessen äussere Temperatur
nur wenig über dem absoluten Nullpunkte gelegen haben kann. Durch
Contraction hat sich hieraus der jetzige Zustand entwickelt, d. h.
der bei weitem grösste Tlieil der ursprünglichen Materie ist jetzt in
einem relativ sehr kleinen Raume bei sehr hoher äusserer Temperatur
vereinigt. Die Contraction ist also sicherlich nicht nur genügend zur
Erhaltung der ursprünglichen Temperatur gewesen, sondern sie hat trotz
des Wärmeverlustes eine bedeutende Erhöhung der Temperatur im Ge
folge gehabt. Und doch nehmen die Astrophysiker fast ganz allgemein
an, dass sowohl unsere Sonne, als auch die übrigen Fixsterne zur Zeit
in einer Temperaturabnahme begriffen sind. Ist diese Annahme richtig,
so muss für jeden Stern einmal ein Wendepunkt in der Temperatur-
curve eingetreten sein.
Der erste und einzige Physiker, der diesen Fragen auf theoretischem
Wege näher getreten ist, ist Ritter 1 ), und es mögen deshalb dessen
1) A. Kitter, Anwendungen der mechanischen Wärmetheorie auf kosmologi
sche Probleme. Hannover 1879.