Die Wärmestrahlung der Sonne.
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Körpers nimmt proportional dem Quadrate des Halbmessers ab, während
die Temperatur umgekehrt proportional steigt; da nun die Intensität der
Wärmestrahlung mit der 4. Potenz der absoluten Temperatur wächst,
so wächst die Strahlungsintensität eines sich zusammenziehenden Him
melskörpers proportional dem Quadrat der Abnahme des Durchmessers.
Wäre also die Sonne ein Gasball im adiabatischen Gleichgewicht, so
müsste noch heute ihre Strahlungsintensität in starker Zunahme be
griffen sein.
Dieses Resultat steht, wie schon angedeutet, in directem Wider
spruche mit den Ansichten der meisten Astrophysiker, und es ist daher
zunächst zu untersuchen, ob die Gründe der letzteren genügend beweis
kräftig sind, um die Voraussetzung eines auch nur genähert adiabatischen
Gleichgewichtszustandes für die Fixsterne vollständig zurückzuweisen.
Dass die Vogel’sche Deutung der Spectraltypen der Fixsterne als
Function der Temperatur eine richtige ist, glaube ich aus dem Verhalten
der Magnesiumlinien mit positiver Gewissheit nachgewiesen zu haben.
Die Temperatur auf den Sternen der 1. Spectralclasse ist mit Sicher
heit wesentlich höher als die auf denen der 2. oder gar 3. Classe. Diese
Classification stellt also im Gegensätze zu einer anderen Hypothese
(Lockyer) thatsächlich den Entwickelungsgang der Fixsterne und da
mit auch der Sonne dar, es fragt sich nur, ob das Vorzeichen dieses
Entwickelungsganges das richtige ist, ob also die Sonne früher ein
Fixstern der 1. Classe war, oder ob sie späterhin noch in diesen Zu
stand übergeht.
Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die jetzt herrschende
Ansicht mehr dem Gefühl entsprungen ist, als streng wissenschaft
licher Ueberlegung. Die allgemeine Erfahrung, dass ein heisser Körper,
sich selbst überlassen, sich allmählich auf die Temperatur der Umgebung
ab kühlt, scheint allein massgebend gewesen zu sein, ohne die weitere
Ueberlegung, ob dies auch für einen rein gasförmigen Körper zutrifft.
So lange die uns zur Verfügung stehenden Beobachtungszeiten noch
so kurz sind, dass eine Entscheidung über das Vorzeichen des ersten
Differentialquotienten der Entwickelungscurven der Sterne unmöglich ist,
so lange scheint mir die Frage vom praktischen Standpunkte aus un
lösbar zu sein. Dagegen glaube ich doch, von einer anderen Seite her
die bisherige Ansicht als die wahrscheinlichere hinstellen zu können.
Da eine ständige Ausstrahlung der heissen Himmelskörper stattfindet
und damit unrettbar der bei weitem grösste Betrag der Wärmemenge
eines Weltsystems für dasselbe verloren geht, so muss die Temperatur-
curve eines Fixsterns unter allen Umständen einen Umkehrpunkt be
sitzen; es muss endlich die Zunahme der Temperatur einer Abkühlung