12. Die Sternschnuppen.
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Erfahrungen nicht alle von ihm angegebenen Verschiedenheiten bestätigen
kann. Dieser unermiidet aufmerksame Beobachter der Sternschnuppen
sagt nämlich: 1 ) „Die Erscheinungen, die die Sternschnuppen darbieten,
sind so mannigfaltig, dass man sie nicht ganz für gleichartig ansehen
kann. Die kleinen, schnell wegfliegenden Fünkchen unterscheiden sich
sehr von denen, die fast einen merklichen Durchmesser haben und mit
langsamen stetem Zuge fortgehen. Sie unterscheiden sich eben so merk
lich von anderen, die statt dieses stillen, planetenähnlichen Lichts mehr
etwas Flammendes haben, und wenn ich mich recht erinnere, immer
gerade herabfallen, und von allen diesen wieder andere, die ich nie
anders als vertikal und abwärts gehen sah, und welche man sich vor
stellen kann, wenn man sich den Sirius als fallend denkt.“ So weit
Brandes, der, wie man sieht, nicht einmal des Umstandes erwähnt, dass
einige Schweife haben, andere nicht.
Es mag also, da wir, wie schon gesagt, alles, was sternähnlich
leuchtend in der Luft fortzuschiessen und herabzufallen scheint, eine
Sternschnuppe nennen, unter diesen Sternschnuppen einige geben, die
blos elektrische Funken sind, oder in unserer Atmosphäre aus bekannten
oder noch unbekannten, sich entzündenden oder blos phosphorescirenden
Gasarten und Dämpfen oder auf andere Art entstehen: der grösste Theil
der Sternschnuppen bleibt mit den Feuerkugeln identisch.
Indessen halten viele achtbare Physiker alle Feuerkugeln, und also
auch alle Sternschnuppen für terrestrisch, oder in unserer Atmosphäre
gebildet. 2 ) Immer mögen diese Gelehrte bewiesen haben, dass es auch
metallische Dämpfe oder Dünste in unserer Atmosphäre gebe: das Zu
sammenballen derselben in so hohen Regionen, wo die Luft so äusserst
dünn ist, zu verhältnissmässig so beträchtlichen Massen wird ihnen
stets imerklärbar bleiben, ganz besonders aber die planetarische Ge
schwindigkeit, womit sich die Feuerkugeln und Sternschnuppen bewegen,
einen stringenten Beweis abgeben, dass die Feuerkugeln und die mit
ihnen verwandten Sternschnuppen nicht in unserem Dunstkreise ent
stehen, sondern von aussen in denselben hineinkommen.
Eine scheinbare, sehr grosse Schwierigkeit gegen diese Behauptung
1 ) Voigt’s Magazin für den neuesten Zustand der Naturkunde, Bd. 5, p. 159.
2 ) Unter vielen Schriften führe ich nur, ausser der wirklich unbedeutenden
Lithologie atmosphérique von Izarn (Paris 1803), Fischer in den Abhandlungen der
Berliner Akademie 1820—1821, Phys. Klasse, p. 11—27; den „Versuch eines Beweises,
dass wahrscheinlich die Feuermeteore atmosphärischen Ursprungs sind“, von Egen in
Gilbert’s Annalen, Bd. 72, p. 375 sq., und „J. C. Ideler, Ueber den Ursprung der
Feuerkugeln und des Nordlichts“ (Berlin 1832), an. Egen’s Abhandlung haben Chladni
(Gilbert’s Annalen, Bd. 75, p. 247 sq.) und Brandes (Physikalisches Wörterbuch, neu
bearbeitet, 4. Bd., p. 227—228) beleuchtet.
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