57. Ueber den Schweif des grossen Kometen von 1811.
329
Erfahrung- zu erhellen, dass eine Verschiedenheit unter den Kometen
Statt findet. Es giebt:
1. Kometen, bei denen sich keine Materien oder Stoffe entwickeln,
auf welche die Sonne eine Repulsivkraft äussert, schweiflose Kometen.
Auch bei der vortheilhaftesten Lage gegen Erde und Sonne zeigt sich
bei diesem nichts von einem Schweife. Soviel mich bisher Erfahrung
hat belehren können, sind dies die Kometen ohne festen Kern, die ganz
aus einer Dunstmasse zu bestehen scheinen.
2. Kometen, bei denen blos eine Repulsivkraft der Sonne, keine
des Kometenkerns zu bemerken ist, z. B. der Komet von 1807. Bei
diesem war durchaus auf der der Sonne zugekehrten Seite keine Schweif
materie zu bemerken: ja im Oktober 1807 war dieser Theil der Kometen
atmosphäre so äusserst dünn und durchsichtig, dass man ihn kaum im
Fernrohr wahrnehmen konnte.
3. Kometen, wie der jetzige, bei denen sowohl eine Repulsivkraft
der Sonne, als des Kometenkerns selbst in der Schweifbildung wirksam
ist. Ohne Bedenken werde ich dazu die Kometen von 1665, 1680, 1682,
1744 und 1769, ja alle die Kometen rechnen, bei denen man in der
Mitte des Schweifes eine breite dunkle Bande wahrgenommen hat. Man
hat diese oft bemerkte dunkle Bande sehr unbedachtsam für einen
Schatten des Kometenkerns erklären wollen, was sie durchaus nicht
sein kann. Man darf nur an die Grösse der Sonne und die Kleinheit
der Kometenkerne denken, um diese Schattenhypothese völlig zu ver
werfen. Diese dunkle Bande deutet nothwendig auf einen ähnlichen
hohlen Konoiden von Schweifmaterie, wie bei unserem Kometen.
Merkwürdig ist es hierbei, dass sich von manchen Kometen bei
ihrer Annäherung zur Sonne verschiedenartige Stoffe entwickeln, auf
die sowohl die Repulsivkraft der Sonne, als die des Kometen selbst
specifisch verschieden wirkt. Was die Sonne betrifft, so erhellet dies
deutlich aus den Kometen mit doppelten oder gar vielfachen Schweifen.
Bei dem Kometen von 1807 war dies unter anderem sehr überzeugend
darzuthun. Der gerade längere Schweif musste nothwendig aus Theil-
chen bestehen, die ungleich stärker von der Sonne fortgestossen wurden,
als die Stoffe, die den gekrümmten Schweif bildeten. Die Krümmung
der Kometenschweife und ihre Abweichung von der durch die Sonne
und den Mittelpunkt des Kometen gezogenen geraden Linie hängt unter
übrigens gleichen Umständen von dem Verhältniss der Geschwindigkeit,
womit diese Schweifmaterie von der Sonne fortgestossen wird, zu der
Geschwindigkeit des Kometen selbst ab. Je langsamer der Schweifstoff
aufsteigt, um so grösser ist jene Abweichung, um so stärker die Krüm
mung. Die Geschwindigkeit der Theilchen, die den geraden Schweif
bildeten, musste also ganz ungleich grösser sein.