Full text: Gesammelte Werke (1. Band)

676 
Anhang. Abhandlungen medicinischen Inhalts. 
heit schuldig zu sein glaubten, die Aufmerksamkeit, die ihm das Gou 
vernement bewies, da es ihm 30 000 Lires jährlicher Renten für 
die Entdeckung seines Geheimnisses bot, mussten nothwendig Verwun 
derung bei denen erregen, die bisher seinen animalischen Magnetismus 
für ein blosses Phantom gehalten hatten. Seine Schriften dienten wahr 
lich eben nicht, diese Verwunderung zu vermindern: voll von Sätzen, 
die offenbaren physischen und physiologischen Wahrheiten widersprachen, 
blieb es um so unbegreiflicher, wie ihr Urheber so lange ein grosses 
Publikum täuschen konnte, wenn sein Mittel nicht besser war als die 
Theorie, die er davon zu geben suchte. — Die Kommissarien der Aka 
demie und der Fakultät untersuchten endlich die Sache, verwarfen den 
Weg, den Mesmer ihnen zur Untersuchung vorschlug, wandten sich an 
seinen Schüler, den Arzt des Grafen von Artois, d’Eslon, und glaubten 
nun gefunden zu haben, dass bei allen seinen Machinationen, allen 
seinen Anstalten nichts wirke, als die Einbildungskraft. Seine Anhänger 
fanden freilich diese Untersuchung gar nicht entscheidend, die Versuche 
nicht gehörig angestellt, die daraus gezogenen Schlüsse falsch — aber 
umsonst, das Publikum folgte den imposanten Gründen der Kommissa 
rien, der Magnetismus wurde in Paris nicht mehr der Gegenstand des 
Enthusiasmus, sondern des Ridicule, die wenigen noch fest Ueberzeugten 
schwiegen. Mesmer verliess selbst Paris, und so wurde alles still. 
Nicht so seine Schüler in den Provinzen. Der Marquis von Puy- 
seg-ur insonderheit, ein Mann aus einer der angesehensten Familien 
Frankreichs, setzte den Magnetismus fort, und rühmte sich bald der 
wunderbarsten dadurch bewirkten Erscheinungen und Kuren. Mesmer 
wirkte blos durch seine sogenannten Krisen, er aber versicherte, einen 
sonderbaren Zustand bei seinen Kranken hervorzubringen, den er sehr 
uneigentlich die magnetische Schlafwanderung und noch viel unschick 
licher Desorganisation nannte. Durch das südliche Frankreich, die 
Schweiz und die benachbarten Rheinprovinzen breitete sich bald die 
neue Kurart aus; man hörte von Dingen, die sich nicht wunderbarer 
träumen lassen, und durch seltsame Kunstwörter noch fabelhafter 
wurden. 
Ein Jeder, der diesen sogenannten Magnetismus nur aus unvoll 
ständigen Zeitungs- oder Journalartikeln kannte, sie mochten nun für 
oder gegen die Sache, von unaufgeklärten Anhängern oder vorschnell 
entscheidenden Gegnern geschrieben sein, musste freilich mit Unwillen 
oder Mitleid auf die vielen Gönner, Anhänger, Freunde, Zeugen und 
Lehrer dieser sonderbaren Kurmethode herabsehen, und über die so sehr 
gerühmte Aufklärung unseres Jahrhunderts lächeln, in dem noch solche 
dem gesunden Menschenverstände gerade zuwider laufende Fabeln ge 
glaubt, geduldet und vertheidigt werden konnten. Dies war allgemeine
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.