201. Erklärg. über die in Bremen durch d. sog. Magnetismus vorgenomm. Kuren. 077
Gesinnung im nördlichen Deutschland, denn hier kannte man den Magne
tismus fast nur aus diesen Quellen.
Dass nämlich unter der grotesken Karrikatur, worunter Aberglaube,
Charlatanerie, Unwissenheit, Schwärmerei und Vorurtheil die Wirkung
des sogenannten Magnetismus entworfen hatte, vielleicht doch eine
wahre Zeichnung zum Grunde liege, dass ein Mittel, wovon man un
mögliche Kräfte rühmte, doch vielleicht wirkliche haben könne, dass
bei näherer Untersuchung vielleicht nicht alle Phänomene falsch, nur
falsch gesehen, falsch beschrieben, falsch beurtheilt sein könnten, dass
vielleicht dann das Wunderbare zum Merkwürdigen und das Fabelhafte
zum bisher Unbekannten herabgestimmt werden könnte, fiel Wenigen ein.
Indess wurde das Geräusch der neuen Kuren immer grösser, und
zum allgemeinen Erstaunen erklärten sich auch Männer von Rang,
Namen, Gelehrsamkeit und unbescholtener Wahrheitsliebe für die Rich
tigkeit der Thatsachen. Zeugnisse häuften sich auf Zeugnisse; man
schrieb Tagebücher von Kuren, die dadurch bewirkt sein sollten, die oft
obrigkeitlich, oft durch bekannte und genannte Männer bestätigt wurden.
So lag die Sache, als wir hier veranlasst wurden, Versuche mit
dem verschrieenen Magnetismus anzustellen, bei einer Kranken, deren
unglückliche und durch unsere gewöhnliche Kunst nach allen vergeb
lichen Versuchen nicht zu besiegende Krankheit die Anwendung eines
auch ungewissen, unwirksam scheinenden Hülfsmittels rechtfertigte.
Weder als Aerzte noch als Menschen, weder von Seiten der Moral noch
aus medicinischen Gründen konnten wir die geringste Bedenklichkeit
dabei finden, wie nur diejenigen, die weder die Behandlung selbst, noch
die Personen, die dabei interessirt waren, noch die Krankheiten, die
gehoben werden sollten, kennen, zu vermuthen im Stande sind.
Ich gestehe inzwischen gerne, dass ich damals sehr gegen den
Magnetismus eingenommen war, mich auch beständig und so öffentlich,
wie man, ohne etwas drucken zu lassen, nur kann, dagegen erklärt habe.
Selbst wie er mit meiner Einwilligung bei unserer ersten Kranken an
gewandt wurde, hielt ich ihn noch völlig für unwirksam, glaubte, dass
nur überspannte Phantasie, die hier nicht wirken könnte, bei einigen
jener öffentlich bekannt gewordenen wirksamen Versuche, die so sehr
gepriesenen Effekte hervorgebracht habe, und hatte nur meine Ein
willigung deswegen gegeben, weil er gewiss nicht schaden, und ich von
keinem anderen Heilmittel Hülfe versprechen konnte.
Der Erfolg ist bekannt. Nach vielen, vielleicht viel zu weit ge
triebenen Zweifeln, Versuchen und Beobachtungen wurde ich von der
Wirksamkeit des sogenannten thierischen Magnetismus überzeugt, sah
jene sonderbare Krise, die man die magnetische Schlafwanderung nennt,
und unsere Kranke sichtbar besser werden.