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Anhang. Abhandlungen medicinischen Inhalts.
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hat. Ihm war es also wahrscheinlich, dass diese allgemein verbreitete
feine Materie gleichsam das Verbindungsmittel zwischen der Seele und
dem Körper ausmache, dass von ihr alle sinnlichen Empfindungen, alle
Bewegung, alles Leben in unserer Maschine abhingen. Ich dächte eine
Meinung Newton’s verdiente doch etwas mehr als Lächeln oder Mit
leiden. Freilich weiss ich wohl, dass sie bisher unter Aerzten und
Physiologen wenig Beifall gefunden hat, 1 ) und dass Schriftsteller, die
sonst die grösste Ehrfurcht verdienen, Newton auf ein paar Seiten oder
gar in wenig Zeilen völlig widerlegt zu haben glauben. Aber in der
That haben sie nicht gezeigt, dass Newton’s Meinung falsch sei, son
dern nur, dass sie ihn nicht verstanden, und Gründe dagegen vor
gebracht, die der grosse Mann gewiss nicht übersah, nicht übersehen
konnte, ohne diejenigen zu kennen, die ihn auf diese Sätze leiteten.
Es war allerdings leichter, zum Vortheil der Lebensgeister und des
röhrenförmigen Baues der Nerven, wobei man etwas denken zu können
glaubt, aber vielleicht auch nur glaubt, gegen eine Theorie kurz zu
entscheiden, als die tiefsinnige Optik dieses grossen Weltweisen zu
studiren, wo er jene Idee mehr entwickelt und mit seinem übrigen
Systeme in Verbindung bringt. Sollte dies etwas zu warm gesprochen
scheinen, so bitte ich um Verzeihung, aber wahrlich es erweckt auch
Indignation, wenn man Newton’s erhabenen Gedanken als einen absurden
Einfall vorgetragen und behandelt sieht, der sich aus den ersten Gründen
der Physik und Mechanik widerlegen liess.
Gesetzt nun, diese Theorie wäre richtig, jene allgemein verbreitete
feine Materie sei wirklich das Medium, wodurch wir empfinden, wovon
alle willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen unseres Körpers
abhangen, wäre es denn so ganz ungereimt zu glauben, dass sie sich
im Nervensystem anhäufen oder vermindern lasse? Dass durch eine
solche Anhäufung oder Verminderung die Seele in einen sonst selten zu
beobachtenden Zustand gesetzt, die Sinne ungewöhnlich geschärft werden
könnten? Dass dies im Körper selbst wichtige, bei gewissen Krankheiten
heilsame Veränderungen hervorbringen müsse? Unmöglich könnte eine
solche Vermehrung oder Verminderung doch wohl nicht sein, da wir ja
bei der Elektricität dasselbe Fluidum, wenigstens auf der Oberfläche
der Körper anhäufen oder davon wegnehmen können. Lässt sich also
wohl a priori über die Wahrheit, ich will nicht sagen, jener abenteuer
lichen, übertriebenen Erzählungen, sondern der glaubwürdigen Beobach
tungen vom thierischen Magnetismus entscheiden?
Darf man hier schliessen, das Faktum ist falsch, weil es unmöglich *)
*) Einer der neusten physiologischen Schriftsteller, der berühmte Herr Professor
Blumenbach, hat sich indess dafür erklärt.